Aktuelle Entwicklungen in der Coronakrise: Starke Ungleichheit in der Pandemie
Eine Studie zeigt negative Effekte der Coronakrise für Frauen. Lehrer:innen sollen sich bald selbst auf Corona testen können. Das RKI meldet viele neue Tote.
Mehr Geschlechterungleichheit in Pandemie
Frauen schultern in der Coronapandemie weiter den größten Anteil der Arbeit in Haushalt und Familie. Auch zusätzliche Aufgaben etwa durch Homeschooling und Kinderbetreuung verteilten sich vorwiegend entsprechend klassischer Rollenbilder von Mann und Frau, berichtete die Bertelsmann-Stiftung am Donnerstag in Gütersloh unter Berufung auf eine von ihr in Auftrag gegebene Umfrage. So gaben 69 Prozent der Frauen an, sich überwiegend selbst um die Hausarbeit zu kümmern.
Hingegen nahmen nur elf Prozent der befragten Männer dies für sich in Anspruch. Auch beim Blick auf während der Coronakrise besonders relevante zusätzliche Bereiche wie den Fernunterricht der Kinder in den eigenen vier Wänden zeigte sich demnach ein ähnliches Bild. So sagten 51 Prozent der Frauen, dass sie sich vorrangig darum kümmerten. Bei den Männern waren es nach eigenen Aussagen lediglich 15 Prozent.
Damit einher geht nach Angaben der Stiftung zudem eine auffällige Diskrepanz in der Wahrnehmung der unterschiedlichen Belastungen. So sind 66 Prozent der Männer der Meinung, Hausarbeit und Kinderbetreuung seien bei ihnen gerecht aufgeteilt. Das gilt, obwohl den Männern laut ihren eigenen Antworten bei der Befragung bewusst ist, dass viele Aufgaben überwiegend von ihren Partnerinnen übernommen werden. Bei den Frauen sah nicht einmal die Hälfte die Verteilung als gerecht an.
Zugleich fühlte sich annähernd die Hälfte der Frauen durch die Coronakrise an ihre individuellen Grenzen gebracht. 49 Prozent gaben an, ihre psychischen, emotionalen oder körperlichen Puffer seien erschöpft. Bei den Männern waren es dagegen nur 30 Prozent. 43 Prozent der Frauen gaben zudem an, dass ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie derzeit schwerer falle als zu normalen Zeiten.
„Vor diesem Hintergrund sollten sich sowohl Frauen als auch Männer mit ihren privaten und beruflichen Rollen auseinandersetzen“, erklärte Bertelsmann-Expertin Barbara von Würzen. Sie sollten die Aufgabenverteilung in der Familie ansprechen und aushandeln, wobei sie Rücksicht auf die beiderseitigen Bedürfnisse und Belastungen nehmen sollten. Auch in der Gesellschaft und in Organisationen müsse es zukünftig viel breitere Diskussionen über diese Themen geben.
Von einer Trendverstärkung durch die Pandemie gingen die Fachleute der Stiftung indessen eher nicht aus. Aus der Umfrage gehe auch hervor, dass die Hälfte der Frauen der Meinung war, dass die Hausarbeit bereits vor der Coronakrise ungleich verteilt gewesen sei. Insofern scheine die Befragung weniger einen „Rückfall“ zu belegen als die Tatsache zu verdeutlichen, dass traditionelle Rollenmuster in Deutschland bisher kaum „aufgebrochen“ worden seien.
Die Angaben beruhten auf einer Onlineumfrage des Instituts Ipsos im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Befragt wurden dafür im Mai 1060 Männer und Frauen, die Ergebnisse waren repräsentativ. (afp)
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Selbsttests für Lehrer:innen und Erzieher:innen
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Lehrer:innen und Erzieher:innen sollen sich in Zukunft nach einer entsprechenden Schulung selbst auf das Coronavirus testen dürfen. „Kitas und Schulen beziehungsweise ihre Träger können von Freitag an eigenständig Schnelltests beziehen und nutzen“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag). „Lehrerinnen und Lehrer werden sich regelmäßig selbst testen dürfen.“ Antigen-Schnelltests könnten dabei helfen, Lehrer:innen und Erzieher:innen und damit auch Kinder besser zu schützen. Bislang dürfen Antigen-Schnelltests nur von medizinisch geschultem Personal durchgeführt werden.
Mit einer neuen Verordnung, die an diesem Freitag in Kraft tritt, will Spahn einerseits regeln, dass Pädagog:innen nach vorheriger Schulung selbst testen dürfen. Daneben sollen auch die Schulträger bei Bedarf mit geschultem Personal Tests vor Ort durchführen dürfen. „Das ist eine weitere alltagstaugliche Option, um Kindern auch in Pandemiezeiten den Kita- oder Schulbesuch zu ermöglichen“, sagte Spahn den Zeitungen.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden dem Robert Koch-Institut seit Beginn der Pandemie 636 Corona-Ausbrüche in Schulen übermittelt, wie die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichteten. In den letzten vier Wochen habe es demnach rund 64 Ausbrüche pro Woche gegeben. 18 Prozent dieser Ausbrüche hätten 6-10-Jährige, 26 Prozent 11-14-Jährige, 31 Prozent 15-20-Jährige und 25 Prozent Personen über 21 Jahren betroffen. Bei 53 Ausbrüchen (8 Prozent) seien nur erwachsene Personen betroffen gewesen. Den Daten zufolge liegt der Anteil der Infektionsfälle an Schulen an allen Corona-Ausbrüchen bei etwa zwei Prozent. (dpa)
Valéry Giscard d'Estaing mit Corona gestorben
Der frühere französische Präsident Valéry Giscard d'Estaing ist tot. Der Freund und politische Weggefährte von Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) starb im Alter von 94 Jahren an den Folgen einer Corona-Infektion, wie seine Familie mitteilte. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron würdigte ihn am Donnerstag als „großen Europäer“ und Neuerer für sein Land.
Giscard d'Estaing starb „umgeben von seiner Familie“ auf seinem Anwesen in der Gemeinde Authon in der Loire-Region, wie es in der Erklärung seiner Familie hieß. „Sein Gesundheitszustand hatte sich verschlechtert und er starb an den Folgen von Covid-19“, hieß es darin. „Seinem Wunsch entsprechend wird seine Beerdigung im engsten Familienkreis stattfinden.“ Der ehemalige Staatschef war in den vergangenen Monaten mehrfach mit Herzproblemen ins Krankenhaus eingeliefert worden.
Präsident Macron würdigte Giscard d'Estaing als „Politiker des Fortschritts und der Freiheit“. Er habe Frankreich nachhaltig verändert, hieß es in einer Kondolenzbotschaft aus dem Elysée-Palast. Zudem habe er wichtige europäische Grundsteine gelegt, etwa für das Europäische Währungssystem EWS und mit der Gründung der Europäischen Weltraumagentur ESA in den 1970er Jahren.
„Giscard“, wie er in Frankreich genannt wurde, stand von 1974 bis 1981 an der Spitze des französischen Staates. Ihn verband eine besondere Freundschaft mit Bundeskanzler Schmidt, mit dem er nahezu zeitgleich regierte und den er um fünf Jahre überlebte. Eine besondere Verbindung zu Deutschland hatte Giscard d'Estaing schon per Geburt: Er kam am 2. Februar 1926 in Koblenz zur Welt, als die Stadt am Rhein noch unter französischer Verwaltung stand.
Seine Präsidentschaft der bürgerlich-liberalen Mitte markierte einen Bruch mit der konservativen Politik seiner Amtsvorgänger Charles de Gaulle und Georges Pompidou. Unter Giscard d'Estaing kam es zu Reformen wie der Legalisierung der Abtreibung oder der Absenkung des Wahlalters auf 18 Jahre. In diesem Jahr machte der Hochbetagte auch in Deutschland noch einmal Schlagzeilen. Eine WDR-Journalistin warf ihm vor, sie nach einem Interview unsittlich berührt zu haben. Er selbst wies den Vorwurf als „grotesk“ zurück. (afp)
Mehr Todesfälle
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert-Koch-Institut (RKI) 22.046 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden gemeldet. Damit liegt der Wert knapp unter den 22.268 Fällen der Vorwoche, wie aus den RKI-Zahlen vom Donnerstagmorgen hervorgeht. Mit 479 neuen Todesfällen binnen eines Tages meldeten die Gesundheitsämter außerdem den zweithöchsten Stand seit Beginn der Pandemie. Der bisherige Höchstwert von 487 Todesfällen war am Mittwoch erreicht worden.
In der Tendenz war die Zahl der täglichen Todesfälle zuletzt nach oben gegangen, was nach dem steilen Anstieg bei den Neuinfektionen auch erwartet wurde. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg am Donnerstag auf 17.602.
Der sogenannte Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Mittwoch bei 0,89 (Vortag: ebenfalls 0,89). Das heißt, dass 100 Infizierte rechnerisch 89 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt der Wert für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab.
Auch in vielen Berliner Pflegeheimen steigt laut Tagesspiegel die Angst vor dem Virus. Denn die Zahl der Neuinfektionen in diesen Einrichtungen hat sich innerhalb von gut zwei Wochen fast verdoppelt. So wuchs die Gesamtzahl positiv getesteter Heimbewohner von 1.021 Mitte November auf 2.050 zu Beginn dieser Woche. Zudem wurden seit Beginn der Pandemie in Berlin rund 1.000 Mitarbeiter, zumeist Pflegekräfte, positiv auf Sars-CoV-2 getestet. (cro/dpa)
Teillockdown verlängert
Angesichts anhaltend hoher Coronazahlen soll der seit November geltende Teillockdown mit geschlossenen Restaurants, Museen, Theatern und Freizeiteinrichtungen bis zum 10. Januar verlängert werden. Das haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder bei ihren Beratungen beschlossen, wie Merkel im Anschluss am Mittwochabend mitteilte.
„Im Grundsatz bleibt der Zustand, wie er jetzt ist, mit Ausnahme natürlich der Weihnachtsregelungen, die noch extra getroffen wurden“, sagte Merkel. Am 4. Januar soll es erneut Beratungen über das weitere Vorgehen geben, so die Kanzlerin.
Merkel sagte, Deutschland sei in der Coronapandemie noch „sehr weit entfernt“ von Zielwerten. Man habe eine sehr hohe Zahl von Todesopfern zu beklagen. Dies zeige, welche Verantwortung Bund und Länder hätten. „Wir haben das Ziel nach wie vor, eine Inzidenz unter 50 Fällen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen zu bekommen“, bekräftigte Merkel.
Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) sagte, die Coronalage sei „mitnichten entspannt, im Gegenteil“. Es sei richtig, den Teillockdown bis zum 10. Januar zu verlängern. Söder deutete auch eine mögliche weitere Verschärfung der Anticoronamaßnahmen an. Irgendwann werde man überlegen müssen, die Maßnahmen an einigen Stellen noch zu vertiefen. Man müsse überlegen: lieber kürzer konsequenter als länger halb konsequent. (dpa)
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