Aktuelle Entwicklung der Ebola-Epidemie: Das Ringen um den rechten Maßstab

Ebola-Überlebende sollen zu Pflegern ausgebildet werden. Barack Obama warnt von Hysterie. Frank-Walter Steinmeier hingegen hat Angst, den Kampf gegen Ebola zu verlieren.

Die Carnival Magic durfte nicht in Belize anlegen, weil eine Mitarbeiterin des texanischen Krankenhauses, in dem ein Ebola-Patient starb, mit an Bord war. Bild: reuters

WASHINGTON/FREETOWN dpa/ap | Angesichts von drei bekannten Ebola-Fällen in den USA warnt Präsident Barack Obama vor Hysterie. In den Vereinigten Staaten handele es sich nicht um eine Epidemie, sagte er in seiner wöchentlichen Video-Ansprache am Samstag. In der Karibik erregte ein amerikanisches Kreuzfahrtschiff Aufsehen: An Bord befindet sich eine Frau, die als Laborleiterin in einem Krankenhaus in Texas mit Ebola-Proben in Kontakt gekommen sein soll. Aus Furcht vor der Seuche durfte das Schiff zwei Karibik-Häfen nicht anlaufen.

Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte ein stärkeres Engagement der Weltgemeinschaft im Einsatz gegen die Seuche in Westafrika. „Wir alle haben Ebola unterschätzt. Heute wissen wir, dass wir mit jedem Tag, der ohne konsequentes Handeln vergeht, Gefahr laufen, den Kampf gegen Ebola zu verlieren“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Der Ebola-Beauftragte der Bundesregierung, Walter Lindner, sagte dem Blatt, die Hilfe laufe nun an, „spät sicherlich, aber nun von vielen Seiten“.

Die Vereinten Nationen haben unterdessen damit begonnen, Überlebende der Ebola-Epidemie in Westafrika zu Helfern im Kampf gegen die Krankheit auszubilden. Da die Überlebenden gegen das Virus immun geworden seien, könnten sie eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Familien mit Ebola-Kranken übernehmen, sagte die Kommunikationschefin des Kinderhilfswerks Unicef, Sarah Crowe, am Freitag in New York.

So könnten Ebola-Überlebende sich um Kinder kümmern, die nach einer Ebola-Infektion in ihrer Familie 21 Tage in Isolation müssten. Ihnen sei es möglich, Kleinkinder auch einmal in den Arm zu nehmen - ohne die Schutzkleidung und Sicherheitsvorkehrungen, die sonst auf das Vermeiden jeglicher Berührungen abgestellt sind. "Ebola hat jeden Aspekt des Lebens als Geisel genommen", sagte Crowe.

Kontrollen an europäischen Flughäfen

Erstmals in Frankreich wurden Flugpassagiere am Samstag auf Ebola kontrolliert. Am Charles-de-Gaulle-Flughafen in Paris mussten sich Reisende bei der Ankunft aus Guinea einer Fiebermessung unterziehen. Auch in London gibt es solche Kontrollen.

Großbritanniens Premierminister David Cameron verlangte von der Europäischen Union (EU), die Finanzmittel im Kampf gegen Ebola auf eine Milliarde Euro zu erhöhen. „Es muss noch viel mehr getan werden“, schrieb Cameron in einem Brief an EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und die EU-Regierungschefs. Auf dem bevorstehenden EU-Gipfel in Brüssel in der nächsten Woche müsse ein „ehrgeiziges Unterstützungspaket“ beschlossen werden. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben bisher 450 Millionen Euro zur Bekämpfung der Krankheit in den westafrikanischen Krisenländern bereitgestellt.

Obama ermahnte die Amerikaner, angesichts des lebensgefährlichen Ebola-Virus' nicht in Angst oder Hysterie zu verfallen. Jedes Jahr stürben Tausende Amerikaner an der Grippe. In den USA gehe es um lediglich drei bekannte Fälle bei mehr als 300 Millionen Einwohnern. „Wir müssen das in der richtigen Perspektive sehen“, appellierte der Präsident.

In den USA haben sich zwei Krankenschwestern mit Ebola angesteckt. Beide sollen sich in einer Klinik in Dallas bei der Versorgung eines aus Liberia eingereisten Mannes infiziert haben. Der Mann starb am 8. Oktober.

Keine Anlegeerlaubnis für die US-Kreuzfahrtschiff

In der texanischen Hafenstadt Galveston soll an diesem Sonntag das US-Schiff „Carnival Magic“ eintreffen. Es hatte weder in Belize noch auf der mexikanischen Insel Cozumel eine Anlegeerlaubnis bekommen. Das Unternehmen Carnival Cruise Lines orderte daher die Rückfahrt in die USA an. Die Kreuzfahrtgesellschaft teilte am Freitag mit, die Laborbeschäftigte an Bord stelle keine Gefahr für Passagiere und Besatzung dar. Sie sei 19 Tage zuvor zuletzt in dem Labor tätig gewesen und zeige keinerlei Symptome. Sie bleibe in freiwilliger Quarantäne. Die „Carnival Magic“ bietet Platz für rund 5.000 Passagiere und Besatzungsmitglieder.

Obama sagte zu den Diskussionen über ein mögliches Flugverbot für Reisende aus den von Ebola betroffenen Ländern, die USA könnten sich nicht einfach von Westafrika abschneiden. Die Vereinigten Staaten würden die globalen Bemühungen im Kampf gegen den Virus in Liberia, Sierra Leone und Guinea weiter anführen, um die Krankheit an ihrer Quelle zu stoppen.

Angesichts der in Westafrika grassierenden Ebola-Epidemie hat Weltbankchef Jim Yong Kim scharfe Kritik an der Weltgemeinschaft geübt. Wegen mangelnder internationaler Solidarität sei die Welt im Begriff, den Kampf gegen das Virus zu verlieren, sagte Kim am Freitag in Paris. „Einige Länder sorgen sich nur um sich selbst und ihre Grenzen“, beklagte er. Dies sei „sehr besorgniserregend“. Die Weltbank hatte zuletzt geschätzt, dass die Epidemie die afrikanische Wirtschaft mehr als 30 Milliarden Dollar (knapp 25 Milliarden Euro) kosten könnte.

800 Tonnen Lebensmittel in Sierre Leone verteilt

Das UN-Welternährungsprogramm hat in dem von Ebola besonders betroffenen westafrikanischen Land Sierra Leone Lebensmittel an tausende Familien verteilt. Rund 700 Helfer seien am Samstag im Einsatz gewesen, um rund 265.000 Menschen mit Reis und Getreide zu versorgen, sagte Sprecher Alexis Masciarelli der Nachrichtenagentur AP. Ziel sei es, dass die oftmals unter Quarantäne stehenden Menschen für 30 Tage genügend Essen hätten, um das Haus nicht verlassen zu müssen.

Rund 800 Tonnen Lebensmittel wurden verteilt, allen voran in Waterloo, einem Bezirk am Rande der Hauptstadt Freetown. Dabei halfen Organisationen wie die Caritas und junge ehrenamtliche Helfer mit. Nach Angaben von Masciarelli wird am Sonntag ein Schiff mit 7.000 Tonnen Reis im Hafen von Freetown erwartet. Zwei Drittel der Ladung seien für Sierra Leone bestimmt, der Rest gehe nach Liberia, sagte er.

In den drei westafrikanischen Ländern starben nach offiziellen Zahlen bisher mindestens 4546 Menschen an der Seuche. In weltweit bisher sieben betroffenen Ländern wurden laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis zum 14. Oktober 4555 Ebola-Tote registriert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.