Aktion Uwe: Uwes langer Weg
Der ehemalige Heimatlose Uwe und Blogger Ole sammeln Spenden für ein Nachtcafé für Obdachlose. Doch wegen versäumter Arbeitsstunden landet Uwe im Knast.
"Ich saß in dieser Zelle und hatte einfach nur Angst", sagt Uwe. "Angst, dass ich all das, was ich im letzten Jahr erreicht habe, wieder verlieren könnte." Vor knapp einem Jahr traf der Obdachlose Uwe den Studenten Ole. Zusammen entwickelten die beiden ein Projekt, an dessen Ende ein Nachtcafé für Obdachlose stehen soll. Mit Berichten aus Uwes Leben akquirierte Ole dafür Spenden übers Internet. Die taz und andere Zeitungen berichteten darüber. Schnell kam viel Geld zusammen, das Projekt wurde für den taz Panter Preis nominiert und konnte einen Trägerverein gewinnen. Es gab zwar viele Rückschläge - aber die Fortschritte waren immer größer. Der größte Fortschritt war wohl Uwes Einzug in eine eigene Wohnung. "Die ersten Wochen habe ich nur auf dem Balkon geschlafen", erzählt er. Dann habe er sich aber eine Nacht in die Wohnung gelegt. Ein paar Wochen später begann er die Heizung hochzudrehen. "Kürzlich habe ich noch einmal zwei Tage auf der Straße verbracht", berichtet Uwe. Erst dadurch habe er zu schätzen gelernt, was es bedeutet, eine Wohnung zu haben. Nach 21 Jahren auf der Straße hat Uwe wieder ein Dach über dem Kopf. Dann sitzt er plötzlich im Knast. Schon lange weiß er, dass er als Auflage für ein altes Strafverfahren Arbeitsstunden abzuleisten hat. Doch trotz vieler Ermahnungen des Gerichts und eindringlichen Bitten Oles lässt er alle Chancen verstreichen. Zusammen mit ein paar Vertrauensbrüchen markiert der Umgang mit der drohenden Haftstrafe den Höhepunkt einer Reihe an Rückschlägen, die sich Uwe zuletzt leistete. Ole ist das erste Mal richtig sauer auf ihn. 640 Euro wären nötig um Uwe aus dem Gefängnis auszulösen. Mit jedem Tag, den Uwe sitzt werden es acht Euro weniger. Aber Ole hat keine Lust mehr. Er glaubt, dass er wenn er Uwe freikauft ein falsches Zeichen senden würde. Zudem sind die Spenden, die er für Uwe eingetrieben hat, zweckgebunden für das Nachtcafé. Er könnte davon zwar Ausgaben finanzieren, die auf Uwes Weg dorthin anfallen, aber ein Freikauf aus dem Knast gehört nicht dazu, findet er. Ole wendet sich an Freunde und Bekannte, diskutiert den Zwiespalt in seinem Blog. Viele finden, Uwe sollte nach all den Zuwendungen auch mal eine Lektion aussitzen. Andere meinen, Uwe habe viele Fortschritte gemacht und ihm sollten keine Bürden aus der Vergangenheit aufgebunden werden. Schließlich fragt Ole einen Experten der Obdachlosenzeitschrift Hinz und Kunzt. Oft kann sich ein Gefängnisaufenthalt auch positiv auswirken, beruhigt ihn dieser. Es gebe dort warme Mahlzeiten und einen geregelten Tagesablauf. Dann aber sagt er, es sei selten, dass sich ein Obdachloser nach 21 Jahren auf der Straße so schnell wieder an eine Wohnung gewöhne, wie Uwe. Das sei ein großer Erfolg und es wäre schade, wenn dieser durch den Gefängnisaufenthalt zunichte gemacht würde. Als die großen Eisentore aufgehen und Uwe mit langsamen Schritten auf Ole zukommt, weiß Ole zunächst nicht, was er jetzt sagen soll. Eine Umarmung, die fester und länger ist, als alle Umarmungen zuvor entspannt die Situation. Ole hat die Summe aus eigener Tasche gezahlt. "So etwas hat noch nie jemand für mich getan", sagt Uwe und versichert, dass er jetzt erst einmal wieder am Zug sei. Die Gelegenheit auf Worte Taten folgen zu lassen bekommt er Ende dieses Monats. Dann muss er die Arbeitsstunden ableisten, die ihm gerichtlich auferlegt wurden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!