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Aktenschredder-Affäre beim VerfassungsschutzReformieren oder abschaffen

Nach dem Rücktritt von Verfassungsschutzchef Heinz Fromm wollen alle Parteien etwas ändern. Auch über eine Auflösung des Bundesamtes wird bei den Politikern nachgedacht.

Es muss sich was ändern im Bundesamt für Verfassungsschutz. Bild: dpa

BERLIN taz/dpa/dapd | Nach dem Rücktritt von Verfassungsschutzchef Heinz Fromm wegen der Aktenschredder-Affäre in seinem Amt fordern Politiker aller Parteien Reformen. Die Forderungen reichen von einer besseren Zusammenarbeit der Geheimdienste von Bund und Ländern über eine bessere Kontrolle des Verfassungsschutzes durch das Parlament bis zu einer kompletten Auflösung des Amtes.

Fromm hatte am Montag seinen Rücktritt verkündet. Zuvor war bekannt geworden, dass im Verfassungsschutz potenziell relevante Akten zum Umfeld des rechtsextremen NSU-Trios vernichtet worden sind.

„Es darf natürlich das, was passiert ist, nicht passieren, und deshalb muss es da auch Konsequenzen geben“, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Man werde nun „ganz in Ruhe über Reformen oder Veränderungen beim Verfassungsschutz reden“, so Friedrich im Deutschlandfunk.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle kündigte an, dass sich die schwarz-gelbe Koalition an eine „grundlegende Reform der Strukturen der Sicherheitsinstitutionen“ machen werde.

Genauer wurde er nicht. Der ehemalige liberale Bundesinnenminister Gerhart Baum will die Rolle des Parlaments bei der Geheimdienstkontrolle stärken.

Auch Sippel muss gehen

Auch Thüringens Verfassungsschutz-Präsident Thomas Sippel muss wegen der Affäre um die Neonazi-Terrorzelle sein Amt aufgeben. Er werde in den einstweiligen Ruhestand versetzt, teilte Innenminister Jörg Geibert (CDU) am Dienstag mit. Sippel steht wegen der Pannen bei der Verfolgung des Neonazi-Trios seit längerer Zeit in der Kritik. „Der Verfassungsschutzpräsident hat nicht mehr das Vertrauen des Parlaments“, sagte Geibert. (dpa)

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, verlangt, dass sich nach dem Rücktritt von Fromm beim Verfassungsschutz „nun auch strukturell etwas ändern“ müsse.

„Manchmal haben verschiedene Geheimdienste, aber auch die Polizei, je eigene V-Leute und verdeckte Ermittler in der Szene und wissen noch nicht mal voneinander“, sagte er der taz. „Die verschiedenen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern müssen sich viel besser austauschen.“

In seinen Augen müsse aber auch die Ausbildung der Verfassungssschützer verbessert werden. Hartmann: „Zum Teil wissen zivilgesellschaftliche Initiativen besser über moderne Erscheinungsformen des Rechtsextremismus Bescheid als die Nachrichtendienstler.“

Immer noch: Kalter Krieg

Es gehe aber auch um eine Haltung, die sich ändern müsse. „Vor allem die ältere Generation in den Geheimdiensten scheint immer noch in der Zeit des Kalten Krieges stecken geblieben zu sein“, so der SPD-Politiker. „Zugespitzt dachten die jahrelang: Der Iwan könnte morgen über den Hügel gerollt kommen.“

Grünen-Chef Cem Özdemir brachte indirekt eine Abschaffung ins Gespräch. „Der Verfassungsschutz auf Bundes- und Landesebene gehört komplett auf den Prüfstand“, sagte er dem Hamburger Abendblatt.

Ähnlich äußerte sich der Linkspartei-Kovorsitzende Bernd Riexinger. Mit Blick auf die Aktenaffäre fragte er: „Wozu braucht es einen Inlandsgeheimdienst, der die Ermittlungen zur NSU-Mordserie in die Irre führt?“

Direkt nach dem Auffliegen der Terrorzelle hatte die Parteiführung schon gefordert: „Auflösen und abschaffen“.

Nicht alle sind für Auflösung

Hingegen sprach sich Wolfgang Neskovic, der für die Linke im Geheimdienstkontrollgremium des Bundestags sitzt, gegen eine Abschaffung aus: „Wir benötigen einen Verfassungsschutz, weil die Verfassung echte Feinde hat.“

In der Aktenschredder-Affäre selbst soll der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags am Mittwoch die übrig gebliebenen Akten zur „Operation Rennsteig“ einsehen dürfen.

Von dieser Geheimdienstoperation von 1996 bis 2003 in der Thüringer Neonaziszene, aus der das NSU-Trio kommt, wurden sieben Aktenordner gelöscht. Am Donnerstag soll der deshalb zurückgetretene Verfassungsschutzchef vor dem Ausschuss aussagen.

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8 Kommentare

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  • FK
    Fred K'heimer

    Tja, und wieder haben wir es mit dem typischen Verhalten von Politikern zu tun: Wenn denn mal ein Mißstand an die Öffentlichkeit kommt, dann wird sofort laut losgegackert und vor jeder Kamera große Empörung gemimt.

    Was hat diese Leute daran gehindert eine Überprüfung schon vor Jahren/Jahrzehnten durchzuführen. Alle waren doch über die Jahren schon mal in der Regierungsverantwortung.

     

    'schuldigung, dt. Parlamentarier werden immmer nur aktiv wenn die Hütte brennt. Aber dann wissen sie immer ganz genau, warum das passiert ist.

     

    Tja, mit solch einem Verhalten braucht man sich nicht zu wundern, wenn man kein Ansehen genießt. Populistischer Aktionismus verfängt nicht mehr.

  • B
    bluemilla

    VS abschaffen. So geht das nicht.

  • R
    reblek

    Am Wochenende 22./23.09.12 findet in der Alten Feuerwache Köln die Jahrestagung des Grundrechtekomitees statt: "Wer schützt (und gefährdet) die streitbare Demokratie - am Exempel Verfasssungsschutz?"

  • S
    strooker

    Der zitierte Satz von Innenminister Friedrich lässt mich denken, dass (auch) er persönlich noch eine ganze Zeit braucht, um die Sache klar zu erfassen. Bei der vorgefallenen Panne reicht eigentlich der Satz, dass das so nicht geht und, dass dies Konsequenzen hat und haben muss. Allzu ruhig wäre ich an seiner Stelle auch nicht - was die erforderlichen Reformen der Strukturen angeht. Der Verfassungsschutz erscheint mir kompromitiert und damit vertrauensunwürdig. Das ist für ihn und für Deutschland ein Problem.

     

    Auch der innenpolitische Sprecher der SPD - Hr. Hartmann - scheint mir ahnungslos zu sein. Dass die einzelnen Behörden nicht von den jeweiligen V-Leuten wissen, ist kein Zufall, sondern Absicht. V-Leute sind Spitzel - wenn sie enttarnt werden, sind sie fällig. Jedenfalls ist das so, wenn sie keine Doppelagenten sind. Daher ist es zwingend erforderlich, dass möglichst wenige Leute über diese Spitzel Kenntnis haben. Keiner darf sie alle kennen. Austausch von Namen geht im Grunde gar nicht.

     

    Das ist dann auch einer der Unterschiede zwischen Geheimdienst und Polizei bzw. zwischen Geheimdienstmethoden/Informationsbeschaffung und Ermittlung/Aufklärung. Wenn man nun will, dass die V-Leute nicht geheim sind, brauchen wir auch eher keinen Inlandsgeheimdienst. Vielleicht wäre dies auch nicht schlecht, aber man sollte die Entscheidung auch in dem Wissen treffen, was dann nicht mehr geht (bzw. gehen könnte - auch ein Geheimdienst kann seine Möglichkeiten schlecht nutzen).

     

    In einer Demokratie ist es vielleicht besser auf Geheimdienste gänzlich zu verzichten, denn man kann sie nicht transparent machen. Genau das darf bei einem Geheimdienst eben nicht sein. Die demokratische Gesellschaft und die Politik wünschen dies aber. Hier kann es höchstens einen bedingt befriedigenden Kompromiss geben, der keinesfalls die jetzigen Vorkomnisse in Zukunft verhindern kann. Das geht nur, wenn die Geheimdienste sich selbst richtig und im Sinne der Demokratie kontrollieren. Wer hat aber noch dieses Vertrauen?

  • FV
    Frank vd Kammer

    Nun, der Verfassungsschutz ist eine rechtsnationale Vereinigung, ob aber auch kriminell sollte sich zeigen.

     

    Die Unterstützung des rechten Terrors war ja auch immer hilfreich für die restliche Politik.

     

    Aber das wissen wir doch schon seit den 70ern.

     

    Nix neues. Aufgebaut von Ex-Nazis stehen die Geheimdienste Deutschlands seit jeher zu Recht unter Generalverdacht.

     

    Jedenfalls bei denen die lesen und denken können.

  • GW
    genau wie radioaktivität

    müll für die ewigkeit.

    das kriegt man nie mehr raus, ob geschreddert oder verstrahlt.

  • M
    mua

    Ja bitte abschaffen, das ist ja nicht mehr auszuhalten!!!

  • W
    Westberliner

    Abschaffen und Mitarbeiter in das wohlverdiente HartzIV schicken.