Akademische Freiheit in Tschechien: Staatspräsident in Kampfbereitschaft
Der tschechische Präsident Milos Zeman will seine Macht ausbauen. Nun hat er die Berufung eines unbequemen homosexuellen Wissenschaftlers verhindert.
PRAG taz | Rund zehn Wochen ist Tschechiens Präsident Milos Zeman im Amt. Bereits jetzt gibt sein Stil immer mehr Anlass zu der Sorge, dass der 68-Jährige das Land von einer parlamentarischen zu einer präsidentiellen Demokratie umgestalten will. Wie ein Rüde, der sein Bein hebt, um sein Revier zu markieren, geht Zeman an die Grenzen seiner präsidentiellen Vollmachten.
Im Alleingang lehnte er jetzt die Ernennung des Literaturhistorikers Martin C. Putna zum Professor der Prager Karlsuniversität ab. Die Gründe für die Zurückweisung Putnas, der seit 1998 habilitiert ist und sich als Literaturdozent an der Karlsuniversität großer Beliebtheit erfreut, wolle er aber erst vor Gericht nennen, wenn Putna ihn verklage. „Ich will Herrn Putna nicht bloßstellen“, begründete Zeman seine ungewohnte Zurückhaltung.
Ein Blick in die tschechischen Zeitungsarchive der vergangenen sechs Monate könnte jedoch einige Motive freilegen für Zemans Schritt. Als eifriger Blogger kritisiert Putna den „bösen Alten“ Zeman immer mal wieder für dessen demagogisches Gehabe und die Nähe zu Russland.
Um den Verdacht, nachtragend zu sein, aus der Welt zu schaffen, ließ sich Zeman am Wochenende dennoch zu einer Erklärung herab. Der homosexuelle Katholik Putna habe bei der Homoparade Prague Pride 2011 ein Transparent getragen, das sich für einen Professor nicht schicke, sagte Zeman.
Eingriff in akademische Freiheiten
Auf dem Transparent stand ein Grußwort an Ladislav Bátora, den Vorsitzenden der klerikal-nationalistischen Vereinigung D.O.S.T., die eine Gegendemo zur Prague Pride organisiert hatte: „Katholische Tunten grüßen Bátora“. Mit der sexuellen Orientierung Putnas habe das alles aber gar nichts zu tun, beteuert Zeman.
Unterstützung findet Putna, der als Akademiker sämtliche Bedingungen für eine Professur erfüllt, sowohl bei Mitgliedern der Regierung als auch der Opposition. „Falls der Präsident keine gewichtigen Gründe hat, kann man sein Verhalten nur als einen schweren Eingriff in die akademischen Freiheiten deuten“, meint der sozialdemokratische Oppositionsführer, Bohuslav Sobotka.
„Hier geht es um eine Fortführung der Politik des Protektorats und auch der Politik des [ersten kommunistischen Präsidenten, Anm.d. Verf.] Gottwald“, schimpft Karel Schwarzenberg, der Außenminister. Er war Zeman bei den Präsidentschaftswahlen unterlegen.
Auch Schwarzenberg hat in den letzten zehn Wochen seine Erfahrungen mit Zeman machen dürfen. Um jeden Preis und gegen den Willen Schwarzenbergs, in dessen Kompetenz die Diplomatie fällt, will Zeman die frühere First Lady, Livie Klausová, trotz mangelnder Erfahrung und zu hohen Alters für solch einen Posten zur tschechischen Botschafterin in der Slowakei machen. Wurde das Gerangel um den Botschafterposten bislang als Streit zwischen zwei Alphamännchen gedeutet, verstehen viele Zemans Eingriff in die Professoren-Ernennung als Kampfansage an die tschechische Demokratie. In Prag sind für diese Woche Proteste angekündigt.
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