Air Berlin in der Krise: Auf Schrumpfkurs
Air Berlin greift in der Krise zu drastischen Mitteln. Die Flotte wird erheblich verkleinert, Mitarbeiter werden entlassen und Flugziele gestrichen.
Berlin dpa | Air Berlin entlässt Mitarbeiter, schrumpft die Flotte und schließt Basen. Bei der angeschlagenen Fluggesellschaft werden bis zu 1200 Mitarbeiter ihre Jobs verlieren, ein Teil der Flugzeuge geht an die Lufthansa. In einer Telefonkonferenz am Donnerstagvormittag wollte Unternehmenschef Stefan Pichler über Details des drastischen Umbauprogramms informieren. Mitgeteilt hatte die Airline die Pläne am Mittwochabend. Danach will Lufthansa bis zu 40 Flieger der zweitgrößten deutschen Airline samt Besatzungen für sechs Jahre anmieten, der Großteil soll für die Billigtochter Eurowings fliegen.
Die Berliner stecken in einer desolaten finanziellen Lage. Die mit fast einer Milliarde Euro verschuldete zweitgrößte deutsche Fluglinie wird schon seit Jahren von ihrer arabischen Großaktionärin Etihad mit immer neuen Millionenspritzen in der Luft gehalten. „Etihad Airways unterstützt den Vorstand von Air Berlin bei der größten Umstrukturierung der Unternehmensgeschichte und steht langfristig zu seinem Engagement.“ Etihad ist seit 2011 an Air Berlin beteiligt und habe davon bisher sehr profitiert. „So bringt die Kooperation Etihad heute für mehr als 150 Millionen Dollar Jahresumsatz.“
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das ist ein guter und nachvollziehbarer Schritt, den ich begrüße. Die Entscheidung sichert Arbeitsplätze, stärkt die deutsche Luftfahrtindustrie und erhält Verbindungen auch außerhalb der großen Drehkreuze.“
Air Berlin will sich auf das Kerngeschäft mit einer Flotte von 75 Maschinen von den beiden Drehkreuzen Berlin und Düsseldorf aus konzentrieren. Das Touristikgeschäft mit 35 Flugzeugen soll in einem eigenen Geschäftsbereich zusammengefasst werden mit dem Ziel, strategische Optionen zu prüfen. Dabei will Air Berlin bei der geplanten Vermietung von Flugzeugen an den Lufthansa-Konzern keinerlei Start- und Landerechte und Strecken mit übertragen. Dies geht aus der Präsentation des Air-Berlin-Vorstands zur Telefonkonferenz an diesem Donnerstag hervor.
Dort ist auch zu lesen, dass Air Berlin sich in Deutschland wohl von den Flughäfen Hamburg, Paderborn, Köln, Frankfurt und Leipzig verabschieden wird. Basen soll es nur noch an den beiden Drehkreuzen Düsseldorf und Berlin sowie in Stuttgart und München geben. Als weiteres Ziel im Inland bleibt daneben nur noch Nürnberg.
Kündigungen so sozialverträglich wie möglich
Der Deal mit der Lufthansa umfasst bis zu 40 Mittelstreckenjets der Modellfamilie Airbus A320 und soll ab dem kommenden Sommerflugplan Ende März sechs Jahre lang laufen. Für bis zu 38 Maschinen stellt Air Berlin dabei auch Piloten, Flugbegleiter, Wartung, Versicherung und Verwaltungsleistungen. Air Berlin erwartet von der Lufthansa über die Laufzeit des Vertrags Zahlungen von mehr als 1,2 Milliarden Euro. Kosten wie Treibstoff und Flughafengebühren trägt die Lufthansa.
Air-Berlin-Chef Stefan Pichler bedauerte die Entscheidung für Stellenkürzungen, begründete dies aber mit der Notwendigkeit, das Unternehmen effizienter auszurichten: „Es fällt mir schwer, in einem dynamischen Arbeitsmarkt wie dem deutschen betriebsbedingte Kündigungen anzukündigen. Dennoch müssen wir leider Personal abbauen. Unser Ziel ist es, dies so sozialverträglich wie möglich zu gestalten.“
Die Lufthansa baut durch die Vereinbarung ihre Billigtochter Eurowings im Kampf gegen die Konkurrenz von Ryanair und Co. dagegen kräftig aus. Die Flotte der Tochter von derzeit 90 Jets soll durch den Air-Berlin-Deal um 35 Maschinen wachsen. Weitere fünf Flugzeuge würden von Austrian Airlines angemietet. Die Vereinbarung soll sechs Jahre laufen und mit dem Sommerflugplan am 26. März 2017 beginnen.
Zuvor hatte der Lufthansa-Aufsichtsrat der Komplettübernahme der belgischen Fluglinie Brussels Airlines zugestimmt. Früheren Angaben zufolge soll Brussels für Eurowings an den Start gehen.
Eurowings ist als Plattform angelegt, an der andere Fluggesellschaften auf verschiedene Weise andocken können. Der Kauf weiterer Fluglinien ist dabei ebenso denkbar wie eine Kooperation oder eben Leasing-Vereinbarungen wie mit Air Berlin.