Afghanistans Präsident besucht Indien: Nachbarn ärgern sich über Islamabad

Die Regierungen in Kabul und Delhi machen den pakistanischen Militärgeheimdienst für Terroranschläge in ihren Ländern verantwortlich. Künftig wollen sie stärker zusammenarbeiten.

Der Premier von Indien, Manmohan Singh, Afghanistans Präsident Hamid Karzai und die indische Präsidentin Pratibha Patil vereint in Delhi. Bild: AP

DELHI taz Bei seinem Staatsbesuch in Indiens Hauptstadt Delhi hat Afghanistans Präsident Hamid Karsai erklärt, er wolle die Kooperation seines Landes mit Indien verstärken. Bislang bauen indische Unternehmen in Afghanistan Straßen und Regierungsgebäude. Künftig könnte Indien sogar die afghanische Armee versorgen. Delhi kündigte an, seine Hilfe für Afghanistan in Höhe von 750 Millionen Dollar um weitere 450 Millionen aufzustocken.

In einer gemeinsamen Erklärung sagten Karsai und Indiens Premier Manmohan Singh, beide Staaten würden in Zukunft "vereint und entschieden den Terrorismus bekämpfen". Damit verschiebt sich das Machtgefüge in der Region weiter in Richtung Delhi. Denn sowohl Indien als auch Afghanistan machen ihren Nachbarn Pakistan für Aktivitäten radikaler islamistischer Gruppen in ihren Ländern verantwortlich. Delhi sieht hinter zahlreichen Anschlägen in Indien die Drahtzieher in Pakistan. Kabul wirft Islamabad seit langem vor, zu wenig gegen militante Islamisten im Nordwesten Pakistans zu unternehmen.

Die Beziehungen zwischen Afghanistan und Pakistan sind deshalb auf einem Tiefpunkt. Und dem Friedensprozess zwischen Indien und Pakistan droht ein Stillstand. Karsai wollte bei seinem Besuch Beweise dafür vorlegen, dass Pakistans Militärgeheimdienst Inter-Services Intelligence (ISI) in den schweren Bombenanschlag auf die indische Botschaft in Kabul vor vier Wochen verwickelt sei. Dabei starben mehr als 40 Menschen.

Pakistan zeigte sich zunächst zur Zusammenarbeit bereit. Premier Yusuf Raza Gillani erklärte noch vor wenigen Tagen, sein Land werde eine mögliche ISI-Verwicklung untersuchen. Die Armee jedoch, die hinter den Kulissen in Pakistan noch immer das Sagen hat, wies diese Forderung zurück. Ein Armeesprecher erklärte, so eine Untersuchung gebe es nur, wenn handfeste Beweise belegten, dass der ISI hinter dem Anschlag stecke.

Damit verstärkt sich der Eindruck, dass sich am Eigenleben des ISI in Pakistan nur wenig ändert. Dabei gehen viele Beobachter davon aus, dass zumindest Teile des Geheimdienstes noch heute die Taliban in Afghanistan sowie islamistische Terrorgruppen in Indien unterstützen.

Die Glaubwürdigkeit von Pakistans Regierung steht auf dem Spiel. Erst jüngst scheiterte ein Versuch, den ISI unter zivile Kontrolle zu bringen: Die Regierung erklärte vor anderthalb Wochen, der ISI solle dem Innenministerium unterstellt werden. Nur wenige Stunden später ruderte ein Regierungssprecher zurück: Die Erklärung sei "ein Missverständnis" gewesen, nur die "Zusammenarbeit" mit dem ISI solle verbessert werden. Offenbar hatte die Armee interveniert. Der Präsident und Exgeneral Pervez Musharraf erklärte erst am Montag, die "Stabilität des ISI" sei "entscheidend für Pakistans Unabhängigkeit". Angesichts dieser internen Machtkämpfe scheint eine Verbesserung der Beziehungen von Pakistan und Afghanistan in weiter Ferne, während Indien dort immer mehr an Einfluss gewinnt - sehr zum Missfallen Islamabads.

Beide Staaten ringen seit Jahrzehnten um Einfluss in Kabul. Dort war Indien ausgebootet, als die Taliban in der 90er-Jahren den Großteil Afghanistans unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Pakistan unterhielt enge Beziehungen zum Taliban-Regime. Damals unterstützte Delhi die afghanische Nordallianz finanziell und wohl auch militärisch. Mit dem Sturz der Taliban Ende 2001 wendete sich das Blatt zugunsten Indiens. Jetzt droht Pakistan weiter offiziellen Einfluss zu verlieren, was den ISI dazu verleiten könnte, über die Taliban indirekt Einfluss zu nehmen.

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