Afghanistan auf der Berlinale: Gewissenskonflikte in Uniform
Im Wettbewerbsfilm „Zwischen Welten“ von Feo Aladag geht es um Soldaten in Afghanistan. Oder um Kosslicks Idee von politischem Kino.
![](https://taz.de/picture/123562/14/afgha_04.jpg)
Die Kuh ist in der Nacht in den Stacheldrahtzaun geraten und liegt mit gebrochenem Genick auf dem Boden. Die Soldaten erlösen sie per Gewehrschuss von ihrem Leiden und bekommen tags darauf vom Besitzer der Kuh und dem versammelten Dorf was zu hören.
Die Tötung war nach den vor Ort herrschenden Regeln illegal, der Besitzer will 500 Dollar. Das Tier ist nicht im Zug einer konkreten militärischen Operation umgekommen. Also kein Geld, sagen die Bundeswehrregeln.
Dies sind so die Schwierigkeiten der interkulturellen Kommunikation im afghanischen Krieg. Dabei wollen die Deutschen nur helfen. Man macht es ihnen nicht leicht. Später kratzen bei Besäufnis und Party die Soldaten selbst das Kuhgeld zusammen. Deutsche Soldaten, wie die Regisseurin Feo Aladag sie zeigt, sind Gewissenskonflikte in Uniform, Kulturkonfliktversteher von Graden, Verbrüderungsvirtuosen, Lavierer im Sachzwang mit zusammengekniffenen Lippen.
Haus der Berliner Festspiele, Mittwoch, 19.30 Uhr; 16. 2., Berlinale-Palast, 15.30 Uhr
Im Zentrum ein Mann namens Jesper (Ronald Zehrfeld). Den schickt das Drehbuch ins Feld. Im Gepäck ein auf dem Feld der Gewissenskonflikte gefallener Bruder. Als westlich gewendeter Extaliban ein Mann namens Haroon. Und zwischen den Welten der von den eigenen Leuten als Verräter gebrandmarkte Übersetzer Tarik (Mohsin Ahmady) mit einer lerneifrigen Schwester. Mehr ist zum Plot nicht zu sagen.
Holzgeschnitzte Figuren
In fast schon wieder atemberaubend fantasieloser Weise werden naheliegende Themen und holzgeschnitzte Figuren auf 98 Minuten fasslich verteilt. Die Landschaft ist schön. Der Taliban lauert. Die Musik hat Gefühle. Kamerafrau Judith Kaufmann und der Rest der Gewerke gewerken auf kompetentem Niveau. Was nicht zu beweisen war: Mit filmischen Sekundärtugenden kriegt man ein solches Stück Kriegspropaganda als Zerknirschungskitsch allemal hin. Aber kein Wort mehr vom Film und seiner himmelschreienden Naivität.
Es lohnt eher der Blick auf ihn als Exempel. Dafür, wie sich die öffentlich-rechtliche Förderkultur in Deutschland Kino so vorstellt. Und wofür die Politik dann auch den Weg nach Afghanistan frei macht. Schließlich hatte Feo Aladag ja der Bundeswehr und aller möglichen Institutionen Segen und durfte als Nachhut der Soldaten und Vorhut der Kriegsaufarbeitung ins Einsatzgebiet.
Vorhut der Kriegsaufarbeitung
Arte und das ZDF haben für so etwas Geld. Die Kriterien sind, wie man am Film sieht, prinzipiell kunstfern: Redakteure und Jurys denken in Themen. Form ist für sie die Art, wie man spannende Themen vermittelt, also beliebig. Ambivalenzen gehören in den Dialog, nicht in die Struktur. Das Ergebnis ist Malen nach Zahlen. Klar, ein Bild gibt es auch.
Dabei hält nicht nur Dieter Kosslick „Zwischen Welten“ vermutlich mal wieder für einen politischen Film. Damit geht er ja gern hausieren. In Wahrheit ist auch dieser Wettbewerbsbeitrag nur der übliche Hardcore-Inhaltismus, der irgendwie passt in ein Land, das sein Bewegtbildverständnis im Spannungsfeld zwischen Kosslick-Berlinale, Matthias-Schweighöfer-Trash und dem sonntäglichen Tatort reguliert.
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