AfD vor den nächsten Wahlen: Die linken Rechten
Nach ihren Wahlkämpfen strotzt die AfD vor Kraft – und träumt schon vom nächsten Parlamentseinzug. Dabei wird immer unklarer, wofür die Partei steht.
BERLIN taz | Björn Höcke wirkt auch einen Tag nach der Wahl noch aufgedreht. „Historisches“ sei gestern passiert, sagt der AfD-Spitzenmann am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin. Eine „Transformation des bundesrepublikanischen Parteiensystems“ sei eingeläutet. Und seine Partei, die AfD, dabei auf dem Weg zur „kleinen Volkspartei“.
Höcke ist nicht der einzige: Die „Alternative für Deutschland“ kommt am Montag aus dem Kraftstrotzen nicht heraus. Von einer „Hochstimmung“ spricht Bundeschef Bernd Lucke, auch er in Berlin. 12,2 Prozent holte seine Partei am Vorabend in Brandenburg, 10,6 Prozent in Thüringen. Elf AfD-Mandate beschert das in beiden Ländern. Und das nur zwei Wochen nach dem Triumph in Sachsen.
Lucke wirft den Blick schon mal voraus, verweist auf die Wahl in Hamburg im kommenden Februar. Dann soll die AfD auch ihr erstes Westparlament erorbern. Dass dies gelingt, daran zweifelt gerade niemand in der Partei.
Zwar werden in Hamburg erst noch die Spitzenkandidaten gewählt. Am Montag aber bringt sich schon mal AfD-Promi Hans-Olaf Henkel, einstiger Wirtschaftsboss, in Stellung. Als Hanseat habe er bei dieser Wahl „natürlich eine besondere Verantwortung“, sagt er. Der Stadtstaat werde für die AfD sicher erneut „ein dankbares Pflaster“.
Rechtsaußen zahlt sich aus
Dabei wirft ihr Erfolg in Thüringen und Brandenburg durchaus auch Fragen auf. Denn wofür die vor anderthalb Jahren gegründete Partei steht, ist seitdem noch unklarer geworden.
Klar scheint: Vom, auch weit rechten, Populismus, den die AfD in den jüngsten Wahlkämpfen bediente, wird die Partei vorerst nicht mehr lassen. Zu sehr zahlte sich dieser aus. Eine Austrocknung des „Politsumpfs“ forderte die AfD in Thüringen. In Brandenburg war es die Wiedereinführung von Grenzkontrollen oder die schnellere Abschiebungen von Wirtschaftsflüchtlingen.
Besonders in den märkischen Grenzregionen, in Frankfurt an der Oder und dem Oder-Spree-Kreis, zündete das: Um die 20 Prozent holte die AfD dort, im Örtchen Lawitz gar 28,1 Prozent. Auch im Südosten Thüringens - in Gera, Greiz oder dem Saale-Holzland-Kreis - war die Partei stark. Die Region liegt Tschechien am nächsten. Ihren Höchstwert erzielte die Partei allerdings in Bornstedt, dem Heimatdorf von Spitzenkandidat Höcke: 36,5 Prozent.
Inzwischen übernimmt auch die AfD-Bundesspitze die ostdeutschen Wahlkampfschlager. Schon am Sonntagabend forderte Lucke „Grenzkontrollen“, sagte, man müsse die Zuwanderung auf „Qualifizierte und Integrationswillige“ begrenzen.
Flüchtlinge und Rote Flora
Henkel nimmt am Montag den Faden für Hamburg auf. Auch dort werde man sich um das Thema Flüchtlinge kümmern, kündigt er an. Dazu kämen etwa die Elbvertiefung oder die „Verwahrlosung um die Rote Flora“.
Ein Erfolgsgarant wird in Hamburg allerdings ausfallen: denn die AfD punktete in Thüringen und Brandenburg auch mit ihren offenen DDR-Anleihen: Kostenlose Kita-Plätze forderte die Partei, die Wiedereinführung eines „Haushaltstages“ oder zinslose Familienkredite. Brandenburgs Spitzenkandidat Alexander Gauland gab zudem den Russlandversteher, lobte die Eurokritik von Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht.
Das kam an: 20.000 Linken-Wähler zog die AfD in Brandenburg an sich, mehr noch als die 18.000 Abtrünnigen von der CDU und die 17.000 der FDP. In Thüringen machten 16.000 einstige Linkspartei-Anhänger rüber.
Der AfD kam dabei auch zugute, dass die Linke in beiden Ländern als Protestpartei ausfielen: In Brandenburg regieren sie mit, in Thüringen brachten sie sich als Regierende in Stellung. Zudem sind die Ostwähler weniger festgelegt. Bis 2009 wählten sie in Brandenburg auch die DVU in den Landtag. Anders als die Politchaoten verbirgt die AfD ihre Ressentiments aber hinter einem bürgerlich-seriösen Gesicht: Alexander Gauland, 40 Jahre lang CDUler, einstiger Staatskanzleichef.
Von allem ein bisschen
Ein bisschen Nostalgie, ein bisschen Recht und Ordnung, ein bisschen gegen das Establishment. In Brandenburg sieht AfD-Wahlkampforganisator Steffen Königer in dieser Mischung den entscheidenen Erfolg. „Keiner Partei ist es doch bis heute gelungen, den ehemaligen DDR-Bürger zu verstehen“, sagt er. „Wir haben eben keine Rote-Socken-Kampagne gefahren, sondern die Leute angesprochen, die sich überhaupt nicht mehr vertreten fühlen.“ Und in der DDR, bemerkt Königer, hätten die Leute ja auch einen anderen Bezug zum „Vaterland“ gehabt: einen positiven. So wie heute wieder die AfD.
Passend dazu sitzt Lucke am Montag vor einem Plakat, „Banken brauchen Schranken“. Das könnte auch von der Linkspartei kommen. Die Eurokrise, bemerkt der AfD-Chef, habe auch „große soziale Auswirkungen“. Da sei man ganz nah bei der Linken.
Die Frage bleibt nur: Lässt sich dieser Kurs auf die AfD insgesamt aufweiten? Schon Thüringens Spitzenmann Höcke klingt anders als die Brandenburger. In seinem Landesverband vertritt er einen strammrechten Flügel. Höcke fordert, nichtdeutschen Arbeitslosen weniger Geld zu zahlen, will die „politische Korrektheit abräumen“. Am Montag ist ihm der Appell nach „mehr preußischen Tugenden“ in Politik und Gesellschaft wichtig.
Auch in Sachsen hatte sich die AfD kürzlich als "konservative Volkspartei" bezeichnet. Lucke widerspricht: Sein Anspruch sei „weitreichender“. Der Richtungsstreit steht also erst noch am Anfang.
Und noch ist auch völlig unklar, was die Neuabgeordneten der AfD im Parlament anstellen. Die Fraktionen in Thüringen und Brandenburg sind bunt gemischt: Parlamentsneulinge allesamt, einige waren früher bei FDP und CDU, andere bei der Islamkritiker-Partei „Die Freiheit“, einer bei den Republikanern. Auch Wahlkampforganisator Königer war einst Redakteur der Rechtaußen-Zeitung „Junge Freiheit“. Alexander Gauland dämpft schon mal die Erwartungen. „Wir müssen noch viel lernen“, sagt er am Montag. „Das wird auch mit Schwierigkeiten verbunden sein.“
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