AfD und Russland: AfD kuschelt weiter mit Putin
Streit um Stalingrad-Gedenken: AfD-Chef Chrupalla legte mit dem russischen Botschafter einen Kranz nieder. Kritik gab es auch an einem „Friedensplan“.
Zum Ärger nicht nur der neurechten Zeitung Junge Freiheit schlachtete die russische Botschaft den Besuch propagandistisch als gemeinsames Gedenken „der Zerschlagung der deutsch-faschistischen Truppen in der Schlacht um Stalingrad“ aus. Botschafter Netschajew habe gemeinsam mit dem Co-Vorsitzenden der AfD der Soldaten der Roten Armee gedacht, „die im Kampf gegen den deutschen Nazismus gefallen sind“ bis zur „endgültigen Zerschlagung Hitlerdeutschlands“, hieß es in einer Mitteilung der russischen Botschaft.
Die Junge Freiheit warf Chrupalla vor, sich für russische Propaganda einspannen zu lassen. Auch in der Fraktion gab es deutliche Kritik an der Aktion. Chrupalla hatte immerhin etwas pflichtschuldig in einem eigenem Post auf Facebook noch ein Foto vom Städtischen Friedhof in Seelow veröffentlicht, das ihn bei einer zweiten Kranzniederlegung für Wehrmachtssoldaten zeigt.
Der Fraktionschef warf der Jungen Freiheit am Mittwoch bei einer Pressekonferenz seinerseits „Propaganda“ vor und betonte: „Herr Chrupalla war zuerst natürlich auf dem deutschen Soldatenfriedhof.“ Dennoch halte er die Message der Russischen Botschaft für unglücklich, räumte er ein.
„Friedensplan“ der AfD
Das änderte allerdings nichts daran, dass sich Teile der AfD weiter für russische Propaganda einspannen lassen: Auf der Pressekonferenz stellte die Fraktion einen „Friedensplan“ zum Ukraine-Krieg vor, der seinerseits Gegenstand heftiger interner Auseinandersetzungen war.
Beim Streit über die ursprüngliche deutlich prorussische Fassung des Papiers aus der Feder von Alexander Gauland soll es bei einer Fraktionssitzung vor zwei Wochen sogar zu wüsten Beschimpfungen wie „Speichelleckerei“ und „hündische Unterwerfung“ gekommen sein. Die Vorstellung des Papiers wurde dann vertragt.
Auf der Pressekonferenz stellte die AfD nun eine entschärfte Version vor, nachdem der „Antrag“ erneut Thema in der Fraktionssitzung am Dienstag war: Der „Friedensplan“ heißt nun „Friedensinitiative“. Beide Versionen liegen der taz vor. In der ursprünglichen Version wurde der russische Angriffskrieg nicht verurteilt und die 2013 annektierte Krim sollte nach Waffenstillstand und Verhandlungen der Russischen Föderation zugeschlagen werden.
In der neuen Version ist nun die Rede von einem „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“. Ebenso sollen Russland und die Ukraine offene Fragen zur Krim innerhalb von 15 Jahren bilateral lösen. Gleich geblieben ist, dass nach einem schrittweisen Waffenstillstand alle Kriegsflüchtlinge zurückkehren und dann unter Aufsicht der OSZE Referenden abgehalten werden sollten. Chancen auf eine Mehrheit hat der Vorschlag ebenso wenig wie eine realistische Umsetzungsperspektive. Gauland spricht dazu am Freitag im Bundestag.
AfD-Politiker im Propaganda-TV
Thema waren bei der Pressekonferenz auch jüngste Auftritte diverser AfD-Politiker im russischen Propaganda-Fernsehen. Chrupalla relativierte das und setzte en passant die russische Medienlandschaft mit der deutschen gleich. Es gebe Propaganda auf beiden Seiten, so Chrupalla. Die AfD-Fraktion veröffentlichte den Mitschnitt der Pressekonferenz kurz darauf auf Youtube unter dem Titel „AfD-Fraktion stellt Friedensinitiative vor – GEZ-Journalisten pöbeln rum!“.
Der außenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Petr Bystron, verlieh dem Schauspiel noch ein antisemitisches Grundrauschen, in dem er im Zusammenhang mit einem Correctiv-Bericht über seine nicht mit dem Bundestag abgestimmte und offenbar heimliche Reise nach Weißrussland von „Fake News“ einer von Soros finanzierten NGO sprach. Die Reise in die mit Russland verbündete Diktatur Weißrussland bestätigte er gleichwohl. Er habe diese aber mit der Fraktion abgestimmt und sie nicht geheim gehalten, behauptete Bystron.
Fast zur Randnotiz wurde dabei, dass der Cellist und AfD-Abgeordnete Matthias Moosdorf in nationalistischer Tradition nebenbei die deutsche Kriegsschuld im ersten Weltkrieg relativierte, als er den Ukrainekrieg mit der Situation von 1914 verglich: „Damals sind Dinge passiert, die sich heute scheinbar völlig unreflektiert zu wiederholen scheinen. Dort sind Länder in einen bewaffneten Konflikt hinein geschlittert, teilweise aus überzogenem Verständnis von Bündnisverpflichtungen, aus Lust an der Provokation und auch aus Automatismen heraus.“ Womit man wieder bei Revisionismus wäre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“