AfD und Berliner Vietnamesen: Protest am Dong-Xuan-Center in Lichtenberg
Es könnte knapp werden beim Direktmandat in Lichtenberg. Auch deshalb buhlt AfD-Kandidatin von Storch um die Stimmen eingebürgerter Vietnamesen.
Am Samstag nun lud die AfD zu einer Wahlkampfveranstaltung zum Center. Beatrix von Storch, die in Lichtenberg ein Direktmandat erringen möchte, hat sich Verstärkung mitgebracht: Anna Nguyen, die für die AfD im hessischen Landtag sitzt und deren Eltern als Flüchtlinge aus Vietnam nach Deutschland kamen, ist mitgenommen.
Das blieb nicht ohne Protest. Rund 250 überwiegend vietnamesischstämmige junge Menschen waren bei Schneegestöber zur Gegenveranstaltung gekommen. „Wir haben erst am Dienstag von der Veranstaltung erfahren und schnell den Gegenprotest organisiert“, sagt Huong Nguyen, eine in Deutschland geborene PR-Beraterin. Das Bedürfnis unter der zweiten Generation der Deutschvietnamesen, der AfD nicht den Raum im Dong-Xuan-Center zu überlassen, sei riesig gewesen, sagt sie. Darunter seien auch Menschen gewesen, die nie zuvor auf einer Demonstration waren.
Vertreter der Elterngeneration, also von Vietnamesen, die einst selbst aus Vietnam eingewandert waren und die im Dong-Xuan-Center Restaurants und Läden betreiben, waren allerdings nur vereinzelt unter den Demonstranten. Grüne, Linke und Antifagruppen hatten sich dem Protest angeschlossen. Transparente auf Deutsch und Vietnamesisch mobilisierten gegen die AfD, vor allem gegen die hessische Abgeordnete, der die Protestler das Recht absprachen, für die Community zu sprechen. „Echte NGUYENs wählen niemals Faschisten“, stand auf einem Transparent in Anspielung auf den häufigen vietnamesischen Namen Nguyen, den auch die hessische Abgeordnete trägt.
Großes Polizeiaufgebot
Ein großes Polizeiaufgebot trennte den AfD-Stand von den Demonstranten. Den hatte die Polizei ausgerechnet auf einem Parkplatz vor eine riesige Plakatwand platziert, auf der die Linke in vietnamesischer Sprache um Wähler warb. Wenige Meter weiter hing ein CDU-Wahlplakat, auch in vietnamesischer Sprache.
Einige Händler aus den angrenzenden Hallen schauten neugierig, aber distanziert auf das Geschehen. Warum ist da so viel Polizei? „Nein, das stört mich nicht“, sagte ein Restaurantmitarbeiter höflich. Ob er wusste, warum die Polizei überhaupt vor Ort war, blieb unklar. Kaum mehr Leute als die AfDler selbst, ihre Bodygards und einige Pressevertreter kamen zum AfD-Stand.
Das Centermanagement des Asiamarktes hatte sich von der AfD-Veranstaltung distanziert. „Das Dong Xuan Center ist ein Ort der Begegnung, geprägt von Toleranz, Internationalität und gegenseitigem Respekt. Wir lehnen jede Form von Ausgrenzung, Nationalismus und Rassismus ab“, erklärte Thanh Dong Nguyen von der Geschäftsführung. Allerdings sind politische Veranstaltungen auch auf öffentlich zugängigem Privatgelände zulässig, so dass das Centermanagement den AfD-Stand akzeptieren musste. Für die Gegenprotestler hat das Center 200 Wasserflaschen gespendet, die allerdings bei Temperaturen um den Gefrierpunkt wenig gefragt waren.
Für Stephan Knaute von der AfD Lichtenberg sind Vietnamesen einige wichtige Zielgruppe, sagt er der taz. Seine Kandidatin von Storch liefert sich mit der Linken Ines Schwerdtner ein Kopf-an-Kopf-Rennen um das wichtige Direktmandat. CDU-Mann Denny Freymark folgt den Umfragen zufolge dicht dahinter. Sind da Vietnamesen vielleicht das Zünglein an der Waage?
2022 lebten 12.500 Menschen mit vietnamesischen Wurzeln in dem Ostbezirk. Er ist damit nicht nur berlinweit, sondern deutschlandweit die Kommune mit den meisten vietnamesischstämmigen Menschen. Allerdings hatten 2022 nur gut 3.000 von ihnen die deutsche Staatsangehörigkeit. Neuere Zahlen gibt es nicht, doch seit letztem Sommer haben sich viele Vietnamesen in Berlin einbürgern lassen, die nun zum ersten Mal wählen dürfen und überwiegend keine festen Parteipräferenzen haben.
Wahlkampf im Dong-Xuan-Center ist also eine effektive Idee. Während sich die Vertreter der zweiten Generation überwiegend im linksgrünen Spektrum verorten, ist das Bild bei der ersten Generation diffus. Viele erklären sich als Nichtwähler, einige sind Mitglieder bei SPD, Linken und CDU. Aber auch Narrative der AfD verfangen bei einigen wenigen: Beispielsweise, dass es zu viele muslimische Einwanderer gäbe, dass der Staat mit ihnen überfordert sei und dass die deutschen Medien nichts als Lügen verbreiten würden.
Vom Dong-Xuan-Center zog der AfD-Tross weiter zum Eastgate in Marzahn. Anders als im Asiamarkt applaudierte dort ein ihnen wohlgesonnenes Publikum ihren Reden.
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