AfD-Politikerin vor der Bayern-Wahl: Holt sie die Stimmen der CSU?
AfD-Frau Katrin Ebner-Steiner kommt bodenständig daher. Ihre Stimmungsmache gegen Islam und Merkel kommt bei vielen Wählern gut an.
Um kurz vor zehn Uhr morgens trifft Katrin Ebner-Steiner ein. Die 40-Jährige hat ein Plakat mit der Aufschrift „Der Islam gehört nicht zu Bayern“ und einen Sack dabei. Die Stangen daraus baut sie zu einem Gestell zusammen, am Ende kommt eine großes Banner darüber. „Unser Land, unsere Heimat. Du, mein Bayern“ steht darauf. „So ist sie, die Katrin“, sagt einer bewundernd, der in Allwetterjacke gehüllt auf einer Bierbank sitzt. „Die ist bodenständig, die packt an.“
Katrin Ebner-Steiner ist stellvertretende Landeschefin der AfD und für die Landtagswahl im Oktober Spitzenkandidatin ihrer Partei in Niederbayern. In ihrem Wahlkreis Deggendorf hat die AfD mit ihr als Direktkandidatin bei der Bundestagswahl das beste Ergebnis im alten Westen Deutschlands geholt: 19,2 Prozent. Für die Christsozialen war das ein Schock.
Im alten Schlossgarten hat der Nieselregen aufgehört, als Ebner-Steiner ans Redepult tritt. Sie trägt schulterlange blonde Haare und Perlenkette, Jeans und Jackett. „Wir stehen in Bayern vor einer Schicksalswahl“, setzt sie in breitem Niederbayerisch an. Das hört sich folkloristisch an. Doch das ist Ebner-Steiner nicht.
Denn dann spricht sie vom Islam, der nach der Weltherrschaft greife. Dem drohenden Untergang des bayerischen Volkes. Von täglichen Vergewaltigungen, Messerstechereien und Morden als Folge der Einwanderung. Und immer wieder schießt sie gegen die CSU, „die Umfaller“. „Die AfD hält, was die CSU verspricht“, ruft Ebner-Steiner in den Schlossgarten. Applaus. Über Merkels Haltung zu Chemnitz sagt sie: „Das ist Brandstiftung, das ist Zündeln an der Demokratie.“ Noch mehr Applaus.
Gedenken an die Toten als Wahlkampfmethode
Katrin Ebner-Steiner holt einmal tief Luft, dann liest sie die Namen von acht Opfern von Gewaltverbrechen der letzten Jahre vor, die eines gemeinsam haben: Die Täter oder Tatverdächtigen sind Geflüchtete. „Maria Landenburger, 19, ermordet am 16. 10. 2016 in Freiburg. Täter: Afghane. Mia Valentin, 15, ermordet am …“. Dann erheben sich alle und schweigen.
Danach sagt Ebner-Steiner, das Verlesen habe sie etwas mitgenommen. „Ich bin eine Mutter, ich habe drei Söhne und eine Tochter. Und ich kann oft nicht schlafen, weil ich Angst um ihre Zukunft habe.“
Die Kinder, die Familie – das erwähnt Ebner-Steiner gern. „Was sind all die Mühen gegen ein Kinderlächeln, das sind doch die schönsten Momente im Leben einer Frau“, sagt sie in einer Videonachricht zu Muttertag. Sie sagt aber auch: „Ohne deutsche Kinder hat Deutschland keine Zukunft.“
Anders als die AfD-Spitzenpolitikerinnen Alice Weidel oder Beatrix von Storch spricht Ebner-Steiner nicht nur über das Familienbild der AfD. Sie hat es selbst gelebt. Ebner-Steiner ist in einem kleinen Ort im Bayerischen Wald aufgewachsen, mit 19 hat sie ihr erstes Kind bekommen. Die Schule setzte sie aus. Heute arbeitet sie für die Münchener Kanzlei ihres zweiten Mannes als Bilanzbuchhalterin. Teilzeit im Homeoffice, damit Zeit für die Kinder bleibt. Er selbst kommt nur am Wochenende heim. Das könnte nach der Wahl auch bei ihr häufiger der Fall sein.
Mit Thilo Sarrazin fing alles an
Am Tag nach dem Gillamoos sitzt Ebner-Steiner auf der Holztreppe, die auf die Bühne der Peitlinger Schlossberghalle führt. Es ist halb zehn am Abend, sie hat hier vorhin eine Rede gehalten, danach hat Björn Höcke gesprochen und die Stimmung in der ihm eigenen Art angeheizt. Während drinnen gut 300 Menschen zuhörten, haben draußen tausend gegen die AfD demonstriert.
Ebner-Steiner ist bekennender Höcke-Fan, die beiden sind schon oft gemeinsam aufgetreten. Die Niederbayerin hat die Erfurter Resolution unterschrieben, in der die AfD als „Widerstandsbewegung“ definiert wird. Sie hat in diesem Jahr das Kyffhäuser-Treffen des rechten Flügels der AfD moderiert.
In der Halle werden die Stühle gestapelt, auf der Treppe erzählt Ebner-Steiner, dass alles mit Thilo Sarrazin angefangen habe. Sein 2010 erschienenes Buch „Deutschland schafft sich ab“ habe ihr die Augen geöffnet, obwohl in Deggendorf die Welt noch in Ordnung war. „In Niederbayern war damals davon ja noch nichts zu spüren.“ Auch heute, das gibt sie zu, darf man sich Deggendorf als beschaulichen Ort vorstellen. Die Kleinstadt an der Donau hat gut 30.000 EinwohnerInnen, der Marktplatz im Zentrum ist hübsch saniert, dank BMW, die in der Nähe ein Werk betreiben, herrscht Vollbeschäftigung.
Passau und die österreichische Grenze sind 60 Kilometer entfernt. Im Herbst 2015 kamen hier täglich Tausende über die Grenze, in Deggendorf wurden viele von ihnen registriert und verteilt. Heute gibt es am Bahnhof ein sogenanntes Ankerzentrum, etwa 500 Geflüchtete meist aus Sierra Leone, sind hier untergebracht.
Der CSU-Mann kann keine Fehler entdecken
Paul Linsmaier ist ein blonder Mann in den Dreißigern. Auf die Frage nach dem Wahlerfolg der AfD in Deggendorf reagiert er genervt. Viel höher als in bayerischen Durchschnitt liege die AfD hier nicht, einige Ausreißer nach oben gebe es vor allem im Bayrischen Wald, sagt er. Linsmaier ist Fraktionschef der CSU im Deggendorfer Stadtrat, zudem Niederbayernchef der Jungen Union. Ein Hoffnungsträger seiner Partei. Bei der Erklärungssuche für den Erfolg der AfD ist Linsmaier schnell bei der Kanzlerin: „Wer gegen ihre Flüchtlingspolitik ist, wer vertritt denn die?“
Linsmaier sagt: „Wir haben in Deggendorf nicht viel falsch gemacht.“ Das kann man selbstbewusst oder trotzig nennen – vor allem aber verströmt es Ratlosigkeit. „Wir haben Vollbeschäftigung, auf einen Kitaplatz muss man nicht warten, wir hatten die Landesgartenschau hier, die Hochschule wächst. Den Leuten geht es gut hier, auch wenn sich manche durchaus Sorgen um die Zukunft machen.“ Auch die Sache mit den Flüchtlingen habe man gut organisiert. „Und trotzdem hält sich bei den Leuten das Gefühl, wir hätten es nicht im Griff.“ Aber hat die CSU dieses Gefühl nicht beständig mitgeschürt? Schließlich sind es die Christsozialen, die das Thema Migration seit Monaten am Köcheln halten. Linsmaier winkt ab. Viel mehr schmerzt ihn, dass sich auch mit Horst Seehofer als Bundesinnenminister an diesem Gefühl wenig geändert habe.
Gottfried Rösch ist seit mehr als zehn Jahren Pfarrer der kleinen evangelischen Gemeinde in Deggendorf. Er meint, dass die CSU keine glaubwürdige Antwort auf die Modernisierung der Gesellschaft finde. Schlimmer noch: Dass dies die CSU zerreiße. „Viele finden: Das alles passt zu meinem Deggendorf nicht“, sagt Rösch. „Und die AfD ist eine Partei, die diese Veränderungen offen benennt.“ Der Pfarrer weiß auch, dass es in Deggendorf und Umgebung schon lange rechtsextreme Strukturen gibt. Ein Republikaner sitzt im Stadtrat. Die bayerische NPD feiert hier alljährlich ihren politischen Aschermittwoch. Zulauf hätten auch die Identitären und eine radikal rechte Burschenschaft. Und immer mal wieder tritt die rechtsextreme Kleinstpartei Der III. Weg in Deggendorf auf den Plan.
Wie bei der Demonstration von etwa 200 Geflüchteten kurz vor Weihnachten, die gegen die Zustände in ihrer Unterkunft protestierten. Neonazis versuchten, sie zu provozieren. CDU-Stadtrat Linsmaier postete damals: „Wer sich als Flüchtling über Gastfreundschaft und Hilfe beschwert, sollte nicht demonstrieren, sondern sofort nach Hause zurückkehren.“
Ebner-Steiner filmte die Demonstration und stellte das Video ins Netz. Die Kommentare darunter waren hasserfüllt. Es dauerte, bis die AfD sie löschte. In mehr als 250 Fällen ermittelte die Polizei wegen Volksverhetzung. Doch auch Ebner-Steiner selbst fällt immer wieder mit extremen Posts auf. Nach dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz empörte sie sich über das „ZDF-Morgenmagazin“. „Wir sehen: Ein Türke moderiert die Sendung, zusammen mit einer Afrikanerin. Aus Mainz wird eine Araberin zugeschaltet – ach ja, und ein Deutscher darf den Wetterbericht moderieren.“
Als Angela Merkel im Bundestagswahlkampf nach Passau kam, protestierte Ebner-Steiner in einer Burka verhüllt gegen die Kanzlerin und, nach eigener Aussage, für die Freiheit der Frau. Das hat ihr ein Ermittlungsverfahren wegen Vermummung eingebracht, das wieder eingestellt wurde. Sonst aber will die Niederbayerin von Frauenrechten wenig wissen. „Emanzipation hat uns nicht viel gebracht, sagt sie. „Früher hatte man als Frau eine Aufgabe, jetzt sind es zwei.“ Im Schlossgarten beim Gillamoos polemisiert sie gegen „die schwachsinnige und lebensfeindliche Genderideologie“. Und immer wieder gegen die christsoziale Konkurrenz. „Die AfD ist die Strafe Gottes für die CSU“, sagt sie zum Schluss. Sie wäre dann so etwas wie ein Racheengel.
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