AfD-Besuch im linksgrünen Biotop: Im Berliner Görli fliegen Eier
Nur etwa fünf Minuten dauert die „Begehung“ der AfD des Görlitzer Parks. Was die Partei als Inszenierung geplant hat, endet als Shit-Show.
Statt am Haupteingang an der Skalitzer Straße, wo seit den Morgenstunden Gegendemonstrant:innen warten, tauchen die AfD-Abgeordneten Alexander Bertram und Thorsten Weiß am Seiteneingang in der Lübbener Straße auf. Doch natürlich sind auch hier sofort Parkgänger:innen zugegen, um die AfD mit allem zu beschimpfen, was der multikulturelle Wortschatz der Kiezbewohner:innen so hergibt.
Was folgt, ist eine Politshow, die keine fünf Minuten dauert. Die AfDler schreiten mit angestrengt erhobenem Haupt und betont besorgter Miene durch das, was sie als „Schandfleck eines kapitulierenden Staates“ bezeichnen. Sie gucken mal nach links, mal nach rechts – und können dort doch nichts anderes sehen, als Polizist:innen, die Gegendemonstrant:innen wegschubsen. Die werfen erst Flyer, dann Eier – doch bevor sich die Stimmung so richtig aufheizen kann, hat die Polizei die AfDler schon zum nächsten Parkausgang gesteuert.
Etwa eine Stunde vorher steht die Kreuzberger Abgeordnete Katrin Schmidberger (Grüne) mit Sonnenbrille und Mikrofon am Eingang Skalitzer Straße. Es sind 24 Grad, eigentlich Freibad-Wetter – aber die Pflicht ruft. Schmidberger spricht zu den Demonstrierenden: „Wir werden uns unseren Görli nicht kaputt machen lassen von den Nazis. Die AfD hetzt gegen Leute, die eigentlich unsere Solidarität und Hilfe brauchen“, sagt sie. Im Publikum werden bunte Sticker verteilt. Auf Schildern steht etwa: „AfD einzäunen, Görli auflassen“. Die Stimmung ist ausgelassen, die Menge siegessicher.
Am Ende bleibt nur die U-Bahn
Auch die Omas gegen Rechts sind zur Unterstützung gekommen. „Die AfD veranstaltet ein Theater, das nichts mit der Realität zu tun hat. Die verbreiten hier Lügengeschichten für eine angebliche Sauberkeit“, beschwert sich die 68-jährige Ursula. Auch für den Senat hat sie kein gutes Wort übrig. „Es gibt kein Geld in Berlin und CDU und SPD wollen hier für Millionen Euro einen Zaun hinbauen. Für wen eigentlich?“, fragt sie. Ihre Mitstreiterin Jenny schließt sich an: „Das Problem wird nur auf die Straßen verdrängt“.
Ausgerechnet in der Zaunfrage würde sogar die AfD zustimmen: Vor rechten Streamern und Springerpresse erklären die rechtsextremen Politiker wortreich, warum auch die AfD gegen den Görli-Zaun ist – der sei nämlich Symbolpolitik, was es wirklich brauche, sei Massenüberwachung und die Deportation der ganzen kriminellen Ausländer. Gestört wird diese Hetze von einem Mann mit schottischem Dialekt, der sich durch die Polizei drängt, um die AfDler mit Inbrunst als „fookin' Nazi-Scum“ zu bezeichnen.
Doch erstmal hat die AfD mit viel praktischeren Problemen zu kämpfen: Es ist leicht, sich inkognito in den linksgrünversifften Kiez einschleusen zu lassen, aber wie kommt man da jetzt wieder weg? Immer wieder versuchen die Beamten, die Gegendemonstrant:innen mit Polizeiketten abzudrängen. Aber aus jedem Hauseingang und jedem Café kommen immer neue Leute. „Ihr versteht unseren Kiez überhaupt nicht!“, ruft eine Frau. „Was für 'ne Witzvorstellung!“, ein anderer Mann. „Alle sind hier sicher! Frauen, Kinder, Refugees – nur die AfD kann nicht ohne Bullen durch Kreuzberg laufen!“, ruft er.
An der Skalitzer Straße versucht die Polizei schließlich, den AfDlern ein Taxi zu organisieren. Aber auch das scheitert, weil einfach kein:e Taxifahrer:in die AfD mitnehmen will. Erschwerend kommt hinzu, dass die Polizei so viele Polizeiwannen ankarrt, dass sie selbst die Straße verstopft. Es bleibt deshalb nur das Verkehrsmittel, das in Berlin immer alle mitnimmt, ungefragt ihres geistigen Zustands: die U-Bahn. Dutzende Polizist:innen quetschen sich mit den AfDlern und deren rechter Medienentourage in einen kurzerhand besetzten Waggon, der Zug fährt ab. „Haut ab, haut ab!“, wird unten zum Abschied gerufen.
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