Aerobic als Wettkampfsport: Im Spagat zum Erfolg
Rotenburg Wümme ist eine norddeutsche Hochburg der Wettkampfaerobic. Nachwuchstalent Wiemke Büttner hat sich für die EM qualifiziert.
Die Elemente ihrer Choreografie folgen schnell aufeinander. „Ich bin ein Powergirl, da passen weiche Abläufe nicht so gut“, sagt Büttner. Schon seit zehn Jahren trainiert sie in dieser Halle in Rotenburg Wümme nun fährt sie zur Europameisterschaft nach Portugal. „Ich habe so gut wie alle Sportarten ausprobiert“, sagt sie. Für Aerobic entdeckte sie ihr Talent.
Auf dem Hallenboden messen jüngere Sportlerinnen die Flächen für die Choreografien ab. Die Ränder markieren sie mit Schuhen und Wasserflaschen – sieben mal sieben Meter. Ein einziger Sportler hat sich zu den gut 20 Mädchen gesellt. Die jüngsten sind sechs Jahre alt. Echte Nachwuchsprobleme hat der TuS Rotenburg nicht.
Dabei ist Aerobic eigentlich ein Überbleibsel aus den 80er-Jahren. Damals wurde die Sportart durch die Schauspielerin Jane Fonda populär. Die vermarktete Aerobic als Fitnessprogramm und erreichte damit vor allem junge Frauen. Entwickelt wurden die Mischung aus Gymnastik und Tanz in den 1960er-Jahren von einem amerikanischen Arzt. Im Rhythmus der Musik werden Übungen absolviert. Wettkampfaerobic entwickelte sich nebenher. Mit dem ursprünglichen Aerobic hat die Wettkampfvariante aber nicht mehr viel zu tun.
„Für mich ist das eine Mischung aus Rhythmischer Sportgymnastik und Turnen“, sagt Maike Sondermann, Trainerin und Abteilungsleiterin für Wettkampfaerobic beim TuS Rotenburg. 1995 kam der Sport nach Deutschland. 1996 wurde die Wettkampfaerobic-Abteilung im TuS Rotenburg gegründet. Inzwischen ist der Verein einer der führenden deutschlandweit und auch bei internationalen Wettkämpfen vertreten.
Büttner hat bereits an Wettkämpfen in Frankreich, den USA und Ungarn teilgenommen. Dieses Jahr hat sie sich zum zweiten Mal in ihrer Altersklasse für die EM qualifiziert. Vor zwei Jahren verletzte sie sich eine Woche vor der Meisterschaft und musste ihre Teilnahme absagen. Dieses Jahr ist sie vorsichtiger.
Gerade geht Büttner ihre Choreografie nochmal durch – eineinhalb Minuten ist die lang. Dann setzt sie sich auf den Boden, eine Wasserflasche in der Hand. „Ich will mich nicht überanstrengen“, sagt sie. Die 16-Jährige trainiert unter der Woche drei Mal, am Wochenende ein bis zwei Mal. „Es ist schwer, ein Mittelding zwischen Schule, Sport und Freunden zu finden“, sagt sie. Manchmal sei ihr das zu viel: „Dann bricht man ein bisschen zusammen, steht aber stärker wieder auf.“
Die Choreografie einzuüben ist ein langer Prozess. „Nach der Sommerpause fangen wir mit der neuen Choreo an, im Februar kann man sie auf den ersten Wettkämpfen dann noch etwas wackelig vorführen, zur Deutschen Meisterschaft im Juni steht sie dann“, sagt Trainerin Sondermann.
In den Wettkämpfen erhalten die TeilnehmerInnen Punkte von einer Jury. Ausschlaggebend sind Schwierigkeit, Technik und die Choreografie.
Für die EM in Portugal wird Büttner eine Woche von der Schule freigestellt. „Dabeisein ist schon viel“, sagt sie. Ein Platz im Mittelfeld sei gut, die internationale Konkurrenz stark. In Spanien oder Rumänien etwa ist der Sport populärer, in Deutschland fristet er ein Nischendasein. In Niedersachsen gibt es gerade einmal vier Vereine. „Das ist schon viel“, sagt Sondermann, „in manchen Bundesländern gibt es nur einen.“
Heute Abend geht es los. Bis Donnerstag hat die Gymnasiastin Zeit, vor Ort zu trainieren. Am Freitag ist ihr Wettkampf. Die Europameisterschaft ist vorerst ihr letzter internationaler Auftritt: „Nächstes Jahr ist die Schule dran.“
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