Ärger um Googles Fotodienst: Bundesrat soll Street View verbieten
Google möchte flächendeckend die Häuserfassaden zahlreicher deutscher Städte im Netz veröffentlichen. Die FDP in NRW will das Projekt jetzt notfalls über den Bundesrat stoppen.
In den vergangenen Wochen war es ruhig geworden um den Fotodienst Google Street View, bei dem der Internet-Riese 360-Grad-Fotos von den Straßenzügen zahlreicher Städte der Welt im Netz veröffentlicht. Nachdem im März Teile des Vereinigten Königreichs und der Niederlande online gingen, kamen im August nur noch die größeren Städte der Schweiz und Portugals hinzu.
In Deutschland fuhren bereits im Sommer 2008 Kamerawagen durch Berlin. Allerdings ist der Deutschland-Start des Fotodienstes nach Angaben von Google der bislang komplizierteste, was die Klärung rechtlicher und regulatorischer Fragen anbetrifft.
Das Land flächendeckend online zu stellen, scheint dennoch weiterhin das erklärte Ziel des Unternehmens zu sein. Das kann man schon anhand der aktualisierten Liste der abzufahrenden Orte sehen, die seit Frühjahr im Netz steht. Von Baden-Württemberg bis Thüringen, von Sachsen bis Hessen - selbst kleinere Orte wie Leer, Schweinfurt oder Herne will der Online-Riese im Oktober und November besuchen.
Zunächst hatte es so ausgesehen, als habe sich Google Deutschland mit dem für das Unternehmen zuständigen Hamburger Datenschutzbeauftragten abschließend geeinigt. Doch nun drohen Probleme aus der Politik mehrerer Bundesländer.
Den Anfang machte das SPD-regierte Rheinland-Pfalz. Justizminister Heinz Georg Bamberger gab Ende August ein Gutachten in Auftrag, das Google Street View im Hinblick auf Datenschutz, Recht am eigenen Bild und der allgemeinen Persönlichkeitsrechte überprüfen soll. Im Klartext: Das Institut für Informations- und Wirtschaftsrecht der Universität Karlsruhe soll herausfinden, ob und wie der Dienst noch zu stoppen ist.
Noch härtere Worte findet unterdessen die FDP im Nachbarland Nordrhein-Westfalen. Deren rechtspolitischer Sprecher im Landtag, Robert Orth, forderte in der RP notfalls ein Verbot von Google Street View über den Bundesrat, sollte das Unternehmen Personen und Schriften – etwa Autokennzeichen – nicht unkenntlich machen.
Im Gespräch mit taz.de sagte Orth, die von Google verwendete Verfremdungssoftware funktioniere noch nicht richtig. "Wenn Sie einen nackten Mann auf einer Wiese neben einer Blume sehen, wird die Blume verschleiert, nicht sein Gesicht." Entsprechende Bilder fänden sich in den Street View-Versionen aus Ländern wie Großbritannien oder Frankreich, wo Menschen und Kennzeichen teilweise klar zu erkennen seien.
Orth fürchtet, dass Google Street View zu einem "Handbuch für Kriminelle" werden könne, da Sicherheitseinrichtungen zu begutachten wären. Er forderte die Bürger auf gegebenenfalls Widerspruch gegen das Fotografieren des eigenen Hauses einzulegen. "Ich selbst habe das getan." Auf seiner Homepage bietet Orth ein entsprechendes Formular an, das man an Google schicken kann.
Die bayerische Landtagsabgeordnete der Grünen, Christine Kamm, erklärte in der Augsburger Zeitung, sie hoffe, dass möglichst viele Bürger bei Google direkt Einspruch erheben und ihr Haus dadurch erst gar nicht in die Bilddatenbank hineinlassen. "Wie werden die Bilder von Frauenhäusern, Schulen, Kindergärten und anderen sensiblen Einrichtungen geschützt?", fragte sie. Es gebe Missbrauchsmöglichkeiten der detaillierten Daten beispielsweise durch Kriminelle.
Bei Google sieht man das alles naturgemäß etwas anders. Deutschland-Sprecher Stefan Keuchel hatte auf taz.de bereits im Mai betont, der Fotodienst solle allen rechtlichen Bedingungen des jeweiligen Landes entsprechen. Das Unternehmen sei deshalb im intensiven Dialog mit den zuständigen Behörden. Zudem sei es für Nutzer sehr einfach, Probleme mit dem Angebot zu melden, etwa ein noch wahrnehmbares Gesicht, dass der automatisierte Algorithmus nicht erfasst habe.
Wann Google Street View wirklich in Deutschland online geht, ist aber noch unklar. "Wir arbeiten weiterhin an der Vorbereitung für den Start", sagte Keuchel. Google gab unterdessen auch bekannt, dass die unveränderten Originalbilder von Street View, die auf Googles internen Systemen lagern, nun nach einem Jahr gelöscht werden sollen. Diese Zeit benötige man, um gegebenenfalls die online sichtbare Version von Street View korrigieren zu können. Die deutschen Datenschützer hatten darauf gepocht, dass diese Bilder nicht ins Ausland verbracht und wenn möglich sofort gelöscht würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!