Ärger mit dem Sozialticket: Ende der Schikane in Sicht
Alles soll künftig ganz einfach werden: Senat und BVG versprechen, die massiven Probleme beim Sozialticket bis Ende 2024 zu lösen.
In den vergangenen Monaten hatten über 10.000 sozialticketberechtigte Geringverdiener bei Fahrscheinkontrollen eine 60-Euro-Buße aufgebrummt bekommen, weil sie die benötigte Kundenkarte Berlin S nicht vorweisen konnten. Es haperte schon an den für die Beantragung der Karte nötigen „Berechtigungsnachweisen“, die oft Wochen zu spät oder gar nicht kamen. Mit dieser bürokratischen Monsterkonstruktion, die den alten Berlin-Pass ablöste und eigentlich für Entlastung sorgen sollte, soll nun also Schluss sein.
Weil die Beziehenden ihre Kundennummer künftig selbst eingeben, hoffen BVG und Senat mit dem App- und Automatenbezug zugleich das Hauptdilemma des Sozialtickets aus Behördensicht abzuräumen: die Datenschutzfrage. Folgt man Henrik Falk, dann führte und führt genau der Datenschutz zu den Problemen bei Fahrscheinkontrollen. Schließlich dürften die Sozialämter keine Informationen über Leistungsbeziehende an die BVG herausgeben.
Falk ist sich sicher, dass es gelingen wird, das neue System in diesem Jahr einzuführen. 90 Prozent der Sozialleistungsbezieher seien dabei digital fit genug, um die App zu benutzen. Für die anderen 10 Prozent werde man die Automaten umprogrammieren, sodass auch sie einen leichten Zugang zur Kundenkarte S bekämen. „Wir haben 2024. Es kann doch nicht wahr sein, keine digitale Lösung zu finden“, so Falk.
Zur Not Rückkehr zum Berlin-Pass
Auffallend einsilbig wurde der BVG-Chef bei der Frage, wie denn nun weiter verfahren wird mit den Problemen der Betroffenen, die zu einem „erhöhten Beförderungsentgelt“ in Höhe von 60 Euro verdonnert werden, weil sie keine Kundenkarte S vorweisen können. „Dafür muss ich erst die Zahlen prüfen“, sagte er im Ausschuss.
Ein Unding, findet der Grünen-Abgeordnete Taylan Kurt. „Wenn ich keinen Fehler begehe, warum soll ich dann dafür bezahlen?“, sagte er zur taz. Sozialticketberechtigte, die nicht an eine Kundenkarte kommen, seien schlichtweg nicht schuld an der Misere. Kurt erwartet dann auch, dass ihnen die Strafgebühren und Verwaltungskosten erlassen werden.
SPD, Grüne und Linke sind sich ohnehin einig: So wie es momentan läuft, kann es nicht weitergehen. Der SPD-Abgeordnete Lars Düsterhöft wurde deutlich: „Wenn man es nicht anders hinbekommt, dann müssen wir zum ursprünglichen Berlin-Pass zurückkehren.“
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