Ägyptens Präsident: Mubarak in Heidelberger Krankenhaus
Der 81-jährige ägyptische Präsident Hosni Mubarak liegt in Heidelberg im Krankenhaus. Er kündigte an, "bis zu seinem letzten Atemzug" seine Verantwortung tragen zu wollen.
Eine kurze Videosequenz brachte schließlich Gewissheit ins verunsicherte Land der Pharaonen. Nachdem sich der ägyptische Präsident Husni Mubarak zehn Tage lang völlig abgeschirmt in der Heidelberger Universitätsklinik einer Operation unterzogen hatte, strahlte das ägyptische Staatsfernsehen am Dienstagabend die ersten Bilder des 81-Jährigen aus, der sich, entspannt im Bademantel an einem Tisch sitzend, mit zwei deutschen Ärzten unterhält.
Einher geht das Ganze mit den Worten seines behandelnden Arztes Markus Büchler. Mubarak sei guter Dinge. Der Präsident zeige einen starken Willen, wieder zum normalen Leben zurückzukehren. Ein Sprecher der ägyptischen Regierung kündigte für Ende der Woche eine Rede Mubaraks an. Der habe die Intensivstation verlassen, nachdem er an der Gallenblase operiert worden sei. Tests, ob der Präsident Krebs hat, seien negativ.
In Ägypten, das sich zehn Tage lang in einer Art Alarmzustand befunden hatte, zeugen die Bilder und die Ärzteaussagen den erwünschten Effekt. Über Internet-Blogs verbreitete Gerüchte, dass Mubarak im Koma läge, verstummten. Die Gesundheit des Präsidenten ist das größte Politikum am Nil, zumal die Nachfolge des seit drei Jahrzehnten regierenden Mubarak nicht geregelt ist. Meldungen über den Gesundheitszustand des Präsidenten waren in den ägyptischen Medien stets ein Tabu. Der Chefredakteur der unabhängigen Tageszeitung Al-Dustur, Ibrahim Eissa, war vor zwei Jahren sogar zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden, weil er über den Gesundheitszustand Mubaraks spekuliert hatte.
Doch diesmal fährt die Regierung in Kairo eine andere Politik. In den letzten Tagen zeigte das ägyptische Fernsehen immer wieder kurze Pressekonferenzen mit den Ärzten aus Heidelberg und dem ägyptischen Gesundheitsminister Hatem al-Gebali. Doch diese Auftritte zerstreuten die Bedenken nicht. Zu ungenau, zu wenig Details, hieß es in den Oppositionszeitungen.
Wenn seine Krankheit nicht bereits der Ernstfall ist, dann ist sie zumindest ein Testfall für die Nach-Mubarak-Zeit. Denn seine Nachfolge ist nicht geregelt.
Mubarak, der seit fast drei Jahrzehnten das Land regiert, hat angekündigt, "bis zu seinem letzten Atemzug" seine Verantwortung tragen zu wollen. Doch unter der Hand werden in Ägypten längst zwei Szenarien diskutiert: der Tod des Präsidenten und die Möglichkeit, dass er aus gesundheitlichen Gründen die Amtsgeschäfte nicht weiterführen kann.
Seit Jahren streut die Regierung die Botschaft, dass in diesem Falle Mubaraks Sohn Gamal übernehmen soll. Der ist in der Regierungspartei längst bis ganz noch oben gestiegen, und es ist kein Geheimnis, dass er die wirtschaftlichen Belange des Staates lenkt. In den jeweiligen Ressorts sitzen bereits "Gamals Männer". Auch Ministerpräsident Ahmad Nazif zählt dazu. Ihm hat Mubarak die Amtsgeschäfte temporär übergeben, bevor er sich nach Heidelberg begab.
Doch die Übernahme Gamals ist nicht unumstritten. Vor allem das Militär steht dem entgegen, denn bislang war es üblich, das der Präsident aus seinen Reihen kam. Ein Geschäftsmann und ein Präsidentenspross, das wäre ein Novum. Eine Präsidialdynastie Mubarak wäre kaum nach dem Geschmack der Armee.
Und dann gibt es seit einigen Wochen einen neuen Faktor in der ägyptischen Politik. Der ehemalige Leiter der Atomenergiebehörde in Wien, der Ägypter Mohammed al-Baradei, ist der neue aufgehende Stern am Nil. Der Friedensnobelpreisträger fordert nicht nur offen politische Reformen für sein Heimatland. Er hat sogar bei einem Besuch in Kairo im Februar angedeutet, möglicherweise bei den nächsten Präsidentschaftswahlen gegen Mubarak Senior oder Junior anzutreten, "wenn diese Wahlen frei und fair sind". Am Samstag wird Baradei in Kairo erwartet.
Wann und ob Mubarak zurückkommt, steht derzeit in den Sternen. Sicher ist: Selbst wenn Mubarak wohlbehalten an die Ufer des Nils zurückkehrt: die Krankenepisode des 81-Jährigen lässt die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr in einem neuen Licht erscheinen. Der ägyptische Politologe Hassan Nafaa sagt es so: "Ägypten durchlebt einen kritischen Zeitpunkt, und jeder im Land spürt das."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden