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Ach, Schwaben

Der Dokumentarfilm „Was geht – Die Fantastischen Vier“

Wer hätte gedacht, dass die Fantastischen Vier gar nicht so sind, wie wir immer glaubten? Sondern ganz anders! Der Andy zum Beispiel: ganz ruhiger Typ, verheiratet, so einer wie Onkel Norbert, der früher immer Eis spendiert hat. Oder Thomas: Der kann es manchmal einfach nicht mehr ertragen, die Medien und das alles, und dann muss er weg, monatelang. Hunde und Wildschweine dressieren auf dem Land. Doch Moment mal – was haben wir eigentlich geglaubt?

Waren wir geblendet vom schönen Schein der Titelseiten? Vom Glamour? Die Fantastischen Vier, die unerreichbaren Stars aus dem Ländle? Irgendwas, man merkt es schon, passt hier nicht zusammen. Da kann Smudo noch so viele Runden auf dem Nürburgring drehen. Ironie der Rezeptionsgeschichte: Sie waren immer „realer“ als alle anderen, weil sie nie als etwas anderes erschienen, als sie sind – schlaue Schwaben.

Die Fantastischen Vier sind eindeutig. Nichts zu verbergen und kein Spannungsfeld zwischen öffentlichem Image und der angedeuteten „wahren“ Privatperson – der Bereich, wo das Geheimnis des Stars entsteht. Ihres besteht darin, dass ihnen nie etwas peinlich war: ihre Karriere als pennälerhumorigen Spaßact zu beginnen, deutsch zu rappen, als es extrem uncool war, für Dieter Thomas Heck die Hippity-Hop-Marionetten zu machen und, im Falle von Thomas D., nicht mal eine Affäre mit Jenny Elvers. Oder die Eltern in der heimischen Sofaecke filmen und Babyfotos von ihren Goldjungs in die Kamera halten zu lassen.

Das war erfolgreich, aber das Geheimnis fehlte. Deshalb gab es seinerzeit die „Vierte Dimension“. Um zu sagen: Das ist nicht alles, in uns steckt noch mehr. Tiefe. Ein Blick in die Seele. Und deshalb gibt es jetzt auch „Was geht“ – die Fantastischen Vier in einem Dokumentarfilm von Dieter Zimmermann. Zehn Jahre Stuttgarter Erfolgsmodell, das waren wir mal, das machen wir jetzt, Männer auf Tour und beim Hanteltraining, viele Witze und die Andeutung: Lässt du dich auf das Business ein, dann verkaufst du einen Teil von deiner Seele. Und du denkst: Das bin ich nicht. Sie verstehen nicht, was ich wirklich sagen will. In mir sieht es ganz anders aus. The Tears of a Clown.

Der Gipfel der Popstarkarriere, sie haben ihn erklommen: Sie sind unverstandene Künstler geworden. Die Kamera ist dabei. Was aber wollen sie uns wirklich sagen? Smudo sagt, dass ihnen eine ganze Tradition des Songwriting vorausgeht, Andy sagt, dass HipHop mit Ego und Ausdruck zu tun hat, Michi sagt, dass sie von Freunden zu einer Familie geworden sind, in der jeder unterschiedlich sein darf, und Thomas, der Krieger, spricht mit seinen Hunden. Sie haben nette Fans und viel Spaß, und Spaß haben auch wir beim Zusehen. Viel zu lachen gibt es – mit ihnen und über sie, so genau unterscheiden kann man das nicht. Weil sie sich gut finden. Die Fantastischen Vier, wie wir sie kennen. Und wie sie eben so sind.

KARSTEN KREDEL

„Was geht – Die Fantastischen Vier“. Regie: Dieter Zimmermann. Deutschland 2001, 90 Min.

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