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Abwrackprämie aufgestocktStaatsgelder für Schrottautos

Merkel und ihr Vize Steinmeier haben sich auf eine Verlängerung der Abwrackprämie geeinigt. Ist das die Lösung für die Probleme der Automobilindustrie?

Und auf in Runde zwei: Wer's hat, darf sich jetzt billig ein neues Auto kaufen. Bild: ap

BERLIN taz Die Abwrackprämie wird aufgestockt. Darauf haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Mittwoch geeinigt. Ende 2009 soll die Prämie jedoch auslaufen. Noch ist unklar, um wie viel der Fördertopf in Höhe von bisher 1,5 Milliarden Euro aufgestockt wird. Der Fördertopf reicht für 600.000 Anträge und ist noch nicht ausgeschöpft. Es gebe daher keinen Grund zur Eile, sagte Vizeregierungssprecher Thomas Steg gestern in Berlin.

"Wenn es schwierig bleibt, werden wir auf das einzige Instrument für die Autobranche nicht verzichten können", sagte Steinmeier am Dienstag in einer Rede vor VW-Mitarbeitern in Wolfsburg. Auch Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) schloss sich am Mittwoch in Berlin diesen Forderungen an: "Die Dinge zu stoppen, die gut laufen, ist eine nicht so schlaue Idee." Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte sich zuvor zurückhaltend geäußert.

Fast 350.000 Abwrackanträge

Die Abwrackprämie wurde am 14. Januar 2009 als Teil des Konjunkturpakets II eingeführt. Autobesitzer, die ihren mindestens neun Jahre alten Wagen verschrotten lassen und einen Neu- oder Jahreswagen kaufen, erhalten von der Bundesregierung einmalig 2.500 Euro. Mit dieser Maßnahme will die Bundesregierung die Autoindustrie unterstützen.

Bis gestern waren 346.741 Abwrackanträge eingegangen. Bei durchschnittlich 45.000 Anträgen pro Woche reicht das Geld noch einen Monat. Ab dem 1. April kann die Prämie auch online beantragt werden. Experten rechnen dann mit einem Anfrageboom.

Derzeit werde nach einem intelligenten Konzept für die Fortsetzung der Abwrackprämie gesucht, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Ziel sei es, den Anreiz zum Kauf eines Neuwagens zu erhalten, ohne den Markt stark zu verzerren. Dazu sei eine schrittweise Reduzierung der Prämie denkbar. Auch Bundesumweltminister Gabriel hat sich am Mittwoch für Nachbesserungen ausgesprochen. Derzeit komme die Abwrackprämie vor allem den Kleinwagenherstellern zugute. Man müsse aber berücksichtigen, dass Innovationen zuerst im Oberklasse-Segment stattfänden, sagte Gabriel.

Daimler-Chef dagegen

Nach einer Studie der Universität Duisburg-Essen haben bisher hauptsächlich ausländische Hersteller von der Prämie profitiert. Deutsche Produzenten wie Mercedes, Porsche oder BMW jedoch verzeichneten Rückgänge. Diese Hersteller sind stark im Oberklasse-Segment vertreten. Entsprechend wandte sich Daimler-Chef Dieter Zetsche am Mittwoch gegen eine Verlängerung der Abwrackprämie.

Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland, bezeichnete die Verlängerung der Prämie als eine Katastrophe. "Mit der Prämie werden Autokäufe vorgezogen. Wir erzeugen eine künstliche Blase, die irgendwann platzen muss", sagte Lottsiepen gegenüber taz. "Je später die Abwrackprämie abgesetzt wird, desto schlimmer wird der Absturz."

"Typisches Strohfeuer"

Aber auch Wirtschaftsexperten sind skeptisch: Das designierte Mitglied des Sachverständigenrats der Bundesregierung, Christoph Schmidt, spricht von einem "typischen Strohfeuerprogramm". Denn "allein wegen der Prämie wird wohl kaum jemand auf die Idee kommen, sich ein neues Auto zu kaufen", sagte der Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) der Rheinischen Post. "Vielmehr werden hauptsächlich geplante Käufe vorgezogen."

Über die Abwrackprämie diskutiert am Freitag auch der Bundestag. Die Linke fordert, Hartz-IV-Empfängern die Prämie in vollem Umfang zu gewähren und nicht von deren Einkommen abzuziehen.

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13 Kommentare

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  • DL
    Dacia Logan

    Die deutsche Automobilindustrie ist ein ebenso innovationsfeindlicher Dinosaurier wie Amerikanische. Ein modernes Hybrid-Fahrzeug sucht man bei den deutschen Herstellern immer noch vergebens.

     

    Wenn man sich im Einzelnen anschaut wie dilettantisch die Vergabe der Umweltprämie durchgeführt wurde, habe ich erhebliche Zweifel das diese Regierung Antworten auf die wirklich drängenden Fragen der Krise geben kann.

  • J
    Jengre

    Vor 25 Jahren waren die meisten Autos dank schlechter Blechqualität, mangelnder Rostvorsorge und Salz auf den winterlichen Straßen nach fünf bis sieben Jahren durchgerostet und wurden dann durch neue ersetzt, die ebenso kriminelle Abgaswerte hatten. Heute dagegen sind ältere Autos in gutem Erhaltungszustand, und für eine Verbesserung der Umweltbilanz wäre es viel besser, nur die Motoren und Abgasanlagen gegen neue auszutauschen, anstatt eine Industrie zu stützen, die Ressourcen verschwendet und die Umwelt belastet, indem zu viele neue und dazu immer schwerere Autos produziert werden.

  • G
    gugu

    ...eine Lösung wäre, wenn sich die Autoindustrie ganz auf die Bau der umweltfreundlichen Autos konzentrieren würde, dann wäre es sinnvoller, den Leuten Abwrackprämie zu geben wenn sie einen Ökowagen sich dafür kaufen würden.....

  • A
    Antimaterie

    Man muss ja gestehen, dass niemand so wirklich damit gerechnet hatte, dass diese Prämie überhaupt etwas bringt. Doch offenbar gibt es (bedauernswerter Weise) in Deutschland doch weitaus weniger Hirnschmalz als befürchtet. Da rennen die Deutschen los und schieben ihre mühselig ersparten Kohlen wie auf Kommando den Autokonzernen in den Rachen. Und das alles für eine gummibefreifte Kasperbude. Dabei stand schon vorher fest, dass für die meisten dabei kein Plus, sondern nur unnötige Formalitäten zu herauskommen. Denn wo es zuvor einen Rabatt bis zu 30% bei einem Autokauf gab, gibt es nun lediglich einen Rabat von höchstens 5%. Das schluckt die Prämie schnell wieder auf.

    Außerdem wird für die Herrstellung eines Neuwagens mehr CO2 verbraucht, als der alte Wagen in zehn Jahren produziert.

    Das allerdümmste dabei ist jedoch, dass die Leute im Prinzip ihre eigene Abwrackprämie bezahlen. Denn dieses Geld stammt ja aus Steuergeldern. Also von der rechten in die linke Tasche. Nur wird aus der linken Tasche nach den Wahlen weitaus mehr herausgezogen, als zuvor in die rechte Tasche gelegt. Ungerechterweise müssen dann diejeinigen, die genügend Vernunft besaßen ebenso für die Abwrackprämie der Dummen bezahlen!

     

    Sind wir doch einmal ehrlich zu uns selbst. Jeder weiß, dass es sich dabei lediglich um Strohfeuer handelt. Jeder der sich sowieso einen Neuwagen kaufen wollte wird es nun tun. Woraufhin für die Zukunft wieder Kunden fehlen werden. Die Folge ist ein noch tieferes Loch als zuvor. Das wissen auch die Politiker. Doch es wird krampfhaft nach Mitteln gesucht um die Stimmung in Deutschland vor den Wahlen nicht zu gefährden. Und dabei werden weder Mühe noch Kosten gescheut. Es ist ja noch genug Geld da!

    So kann sich die Regierung feiern lassen, bis zu den Wahlen.

     

    Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Und am Abend nach den Wahlen wird dann das böse... ach was sage ich... katastrophale Erwachen kommen.

  • DG
    David Großfuss

    Lösung? Wofür?

    Eine wie immer ungerechte Entscheidung, wenn man bedenkt das nur Personen mit Geld in der Lage sind sich ein neues Auto zu kaufen jedoch alle Bürger, Enkel und Urenkel die Schulden dafür abtragen dürfen. Klar ist es für die Regierung mehr oder weniger ein Nullsummenspiel da jeder gekaufte Wagen der mehr als etwa 13.600 Euro kostet die Prämie über die Mehrwertsteuer wieder rein bringt. Trotzdem belasten die daraus resultierenden Steuermindereinnahmen ebenso die zukünftigen Generationen. Umweltschutz gleich null, da die Herstellung eines Neuwagens nachgewiesenermaßen mehr Kohlendioxyd freisetzt als das weiterfahren mit der alten Kiste, vom zusätzlichen Verbrauch an Ressourcen einmal ganz abgesehen.

    Wie sooft können diese Lobbyistenknechte welche sich Politiker schimpfen eben nicht mehr anders als die zu bedienen die Dank ihres Vermögens die eigentliche Macht im Lande haben.

    Wäre ich ein Rechtsanwalt mit Rückgrat würde ich alle Mittel ausschöpfen um diese Entscheidung verfassungsrechtlich (und nicht nur diese) prüfen zu lassen, denn hier werden vorbei am Gleichheitsgrundsatz nur bestimmte Personenkreise bedient, jedoch alle dürfen „blechen“.

    Ich könnte noch weitaus mehr bemängeln und kritisieren, aber wozu? Wir sind eben keine wirklichen Demokraten wie man das auf den Straßen von z.B. Frankreich immer wieder erleben darf, von wegen „da kann man halt nichts machen“ wie oft sind Demos im Ausland von Erfolg gekrönt. Der deutsche „Michel“ kommt selbst nach sechzig Jahren Demokratie nicht weg von dem Motto „nach oben kuschen, nach unten treten“!

  • V
    vic

    "Deutsche Produzenten wie Mercedes, Porsche oder BMW jedoch verzeichneten Rückgänge. Diese Hersteller sind stark im Oberklasse-Segment vertreten."

     

    Und genau das ist deren Problem. Und pardon, wenn sich die Oberklasse Deutschlands ein neues

    Oberklasse-Statussymbol anschaffen möchte, dann benötigt sie dafür gewiss nicht 2.500 Euro Steuergelder. Dass sie´s gerne nehmen, steht jedoch außer Frage. Denn im Nehmen sind sie gut.

  • V
    vic

    Nächstes Jahr um diese Zeit, wird diese Dummheit viele tausend KFZ-Arbeitsplätze vernichtet haben.

    Da die hießigen Konzerne dank der Prämie weiterwurschteln konnten, ohne Forschung und neue Technologien zu forcieren.

    Außerdem Vernichtung von Ressourcen, wie funktionierenden Autos, Vernichtung des Gebrauchtwagenmarktes und zahlreicher privater, freier KFZ-Betrieben.

    Das ist keine natürlich Auswahl, nicht survival of the fittest.

    Das ist aktive Sterbehilfe.

  • W
    WehrtEuch

    Ich bin seit Jahren in einer Car-Sharing-Initiative und jetzt muss ich sehen, was ich von meinem Umweltengagement habe: die Röhre.

     

    Diese Abwrackprämie ist eine Schweinerei sondersgleichen.

     

    Wählen werde ich weder SPD noch CDU/CSU.

  • MS
    Manfred Stengel

    Hallo zusammen,

     

    vielleicht sollte man nochmal darauf hinweisen, dass es sich offiziell gar nicht um eine "Abwrackprämie" handelt, sondern um eine "Umweltprämie". Das kann man gleich im §1 in der Richtlinie bei bafa.de nachlesen. Es geht offiziell primär gar nicht um die Autoindustrie, sondern um die Umwelt. Und da kann man doch ohne Ende Gutes tun...

  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Abwrackprämie degressiv staffeln und mittelsfritig die Kfz-Steuer in eine Ökoabgabe mit Ökobonus umwandeln

     

    ----------------------------------------

     

    Bei der Fortführung der Abwrackpräme sollte sich die große Koaliton die Förderung von Fotovoltaikanlagen als Vorbild nehmen: diese ist degressiv gestaffelt.

     

    Auf die Automobilindustrie übertragen wäre folgende Vorgehensweise denkbar:

     

    weitere 600.000 Autos mit 2.000,-- € Prämie

     

    weitere 600.000 Autos mit 1.500,-- € Prämie

     

    weitere 600.000 Autos mit 1.000,-- € Prämie

     

    weitere 600.000 Autos mit 500,-- € Prämie.

     

    Bis dahin müsste sich die Automobilindustrie wieder gefangen haben und könnte in dieser Zeit sparsamere Autos realisieren.

     

    Danach sollte die Kfz-Steuer abeschafft und in eine CO2-Abgabe pro Liter Sprit mit Ökobonus pro BürgerIn umgewandelt werden.

     

    Wer dann eine sparsames Auto kauft, kann die Höhe seiner Ersparnisse - ganz marktwirtschaftlich - selbst bestimmen.

     

    Ludwig Paul Häußner

    Universität Karlsruhe (TH) - IEP

  • DM
    dirk matthes

    Es ist ein Skandal. Die Grundunterstützung für Arbeitslose liegt bei weniger als 400 Euro und um seinen 2. Wagen zu erneuern kriegt eine Person aus der oberen Mittelschicht noch 2500 Euro obendrauf. In Schulklassen sitzen mehr als 30 Schüler und ein Lehrer kann fast nichts anderes tun als frontal zu unterrichten. Aber die Elite schickt seine Kinder ja eh in Internat.

    Zudem werden in den meisten Bundesländern Studiengebühren erhoben, die im Gegensatz zu Versprechen nicht in Sanierung der Unis und neue Lehrstühle reinvistiert werden sondern im Haushaltsplan verschwinden oder in Zusatzgelder für Prestigeobjekte. Außerdem kommen die meisten Kleinwagen nicht aus Deutschland. Audi, Mercedes und Porsche werden wohl kaum profitieren.

    Würden wenigstens die 9 Jahreswagen nach Afrika oder Südamerika verschifft, wo sie noch 20 Jahre fahren würden, aber nicht doch wir brauchen doch mehr Blech! Die Ressourcenverschwendung ist überhaupt noch gar nicht thematisiert worden.

     

    Ich würde gerne mein Fahrrad abwracken, dass würde der Umwelt schonen, weniger kosten und würde auch hier und da der Unterschicht zu gute kommen.

     

    Liebe Frau Merkel machen sie die Augen auf, die staatl. Infrastruktur zu verbessern ist sinnvoller als Blechlawinen zu fördern.

  • M
    Mistral

    Es ist unglaublich! Einige haben den Ernst der Lage offensichtlich immer noch nicht begriffen!

     

    Um es deutlich zu sagen: Es geht NICHT um Nachhaltigkeit, es geht nicht um Sozialpolitik oder Strukturreformen: Es geht um KONJUNKTURPOLITIK, konkreter gesagt darum eine akute Nachfragelücke zu schließen (also in der Tat darum, dass Käufe JETZT vorgezogen werden - ja genau, ein Strohfeuer!).

     

    Anders ausgedrückt: Die Zögerlichkeit der Politik in Sachen Konjunkturpolitik hat erheblich dazu beigetragen, dass der Abschwung im ersten Quartal 2009 derart scharf ausgefällt!

     

    Für die Werte, die schon jetzt durch die Rezession vernichtet wurden, hätte man locker JEDEM Bundesbürger einen DICKEN Konsumschein schicken können! Ich hoffe das ist allen klar!

     

    Zu kritisieren ist an der Abwrackprämie, dass eine Branche (Autoindustrie) einseitig bevorzugt wird. Konsumgutscheine wären sinnvoller gewesen.

     

    Und dass Steuersenkungen hierzulande nicht als Konjunkturstimulus funktionieren, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben (und wenn diese Senkungen auch noch via Deficit Spending fortlaufend finanziert werden sollen und man gleichzeitig eine "Schuldenbremse" fordert, zweifle ich fast am Verstand dieser "Experten")

  • M
    Martin

    Skandalöse Geldverschwendung, ausgerechnet in diesen Zeiten. Und schädlich für die Umwelt obendrauf. Schäbiger Wahlkampf, sonst nichts.