■ Bonn apart: Abwehr-Haltungen
Was ein gestandener Sozialdemokrat ist, der besitzt einen Grundsatz, womöglich derer mehrere. Diese zu hegen bieten sich neben den Parteitagen sporadische Besuche der Instruktionsrunden der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung an. Die hatte mit Hans-Ulrich Wehler diese Woche einen der einflußreichsten deutschen Neuzeithistoriker eingeladen. Der Professor sprach über „Angst vor der Macht? Die Machtlust der Neuen Rechten“.
Klar, daß Wehler bei seiner Abwehr rechter Ambitionen vor dem Publikum der SPD-nahen Stiftung ein Heimspiel genoß. Als Gegner im Geiste ließ er Autoren wie Ernst Nolte, Arnulf Baring, Hans-Peter Schwarz und einige „Zitelmänner“ aufmarschieren. Das Publikum blieb dankbar, solange Wehler den Aufruf zu einer nationalegoistischen Interessenpolitik und das „völkische Geraune“ im Namen der Vernunft zurückwies. Die Dankbarkeit schwandt jedoch schlagartig, als er konstatierte, es müßten nun für die „neue politische Lage“ Antworten gefunden werden. Um eine der Antworten, die Wehler gab, streitet bekanntlich die SPD noch immer: „Die Bundesrepublik hat sich auf die Teilnahme an militärischen Operationen der Vereinten Nationen einzustellen“, befand der Professor. Prompt zog er sich aus dem Publikum den Vorwurf zu, er lasse sich von der „Neuen Rechten“ die Themen vorgeben und komme deren Forderungen entgegen.
Überraschend kam der Vorwurf nicht. Denn wie Wehler argumentiert, so argumentiert wenig grundsatztreu ein großer Teil der Partei: Im ersten Schritt wird analysiert, was der innenpolitische Gegner Schlimmes fordert, erst im zweiten Schritt dann wird zugegeben, daß die Verteidigung des Status quo wenig Sinn macht, da sich doch alles geändert hat. Die politischen Kräfte, die Außenpolitik keinesfalls nach nationalen oder gar völkischen Kriterien definieren wollen, starren fasziniert auf neurechte Thesen, anstatt aus eigener Analyse notwendige Konsequenzen zu ziehen. Daß die „Neue Rechte“ so laut nach deutscher „Normalität“ und Großmachtpolitik schreit, ist da gar nicht so unwillkommen. Die Abwehr des besonders Schlimmen erspart das Eingeständnis der eigenen Ratlosigkeit. Der Titel von Wehlers Vortrag hätte wohl auch lauten können: „Die Verweigerung der Linken in der Außenpolitik“. Aber ob er damit eingeladen worden wäre? Hans Monath
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