: Abwarten und anmelden
■ Kinder aus Niedersachsen: In Bremer Privatschulen vorläufig angenommen
„Wir tun so, als könnten die Kinder nach den Sommerferien unsere Schule besuchen“, sagt der Verwaltungsleiter der Evangelische Bekenntnisschule, Gottfried Meskemper. Mehr noch als alle anderen privaten Schulen im Lande Bremen steht die Bekenntnisschule vor einem Dilemma: Da der Bildungssenator angekündigt hat, die niedersächsischen SchülerInnen würden ab dem kommenden Schuljahr bei der Finanzierung der Privatschulen nicht mehr berücksichtigt, müßten alle privaten Schulen im Grunde die Anmeldungen aus Niedersachsen vorsorglich zurückweisen. Andererseits wollen die Schulen die Eltern aus Niedersachsen nicht abschrecken, ihre Kinder weiterhin nach Bremen anzumelden.
„Es gibt im Umkreis von Bremen keine vergleichbare katholische Schule“, sagt der Geschäftsführer des Gemeinderatsverbandes für St. Johann. 35 SchülerInnen aus Niedersachsen besuchen derzeit diese Schule, bei den Neuanmeldungen sind aber nur ein oder zwei. „In Bremerhaven für die Edith-Stein-Schule ist das Problem größer - die warten ab.“
Abwarten will auch das Ökumenische Gymnasium. In vier Wochen ist ein Info-Abend für alle Eltern - „bis dahin sagen wir nichts“.
Bei der Waldorfschule kommen 20 Prozent der SchülerInnen aus Niedersachsen. „Wir berücksichtigen die neuen Anmeldungen aus Niedersachsen mit Vorbehalt. Wenn wir für sie keine Finanzierung bekommen, können wir sie vermutlich aber nicht aufnehmen“, sagt Geschäftsführer Illmann.
Wenn die gemeinsame Kabinettssitzung von Bremen und Niedersachsen am 28.3. keine Entscheidung bringt, dann könnte die Unsicherheit für die betroffenen Schüler und ihre Eltern sich bis in den Sommer ziehen. Denn die Privaten Schulen werden die Neuanmeldungen nicht abweisen, sondern vor die Gerichte ziehen. Für die grundsätzliche Frage, ob die Privatschulen einen Rechtsanspruch auf finanzielle Förderung unabhängig vom Wohnsitz der Schüler haben, sind die Juristen schon in Stellung gegangen. (vgl. taz 17.1.)
Die Bekenntnisschule hat das schon in Hamburger Verfahren erfolgreiche Anwaltsbüro Hauenschild&Schütt engagiert. Die Schulbehörde hatte der Bekenntnisschule mitgeteilt, „die niedersächsischen Zahlungen“ würden ab 1995/1996 entfallen. „Finanzhilfen“, entgegnen die Anwälte trocken, habe die Bekenntnisschule aber „nur vom Lande Bremen“ erhalten. Ob Bremen das Geld dafür zum Teil von Niedersachsen erhalten hat oder nicht, „war und ist für die Bekenntnisschule unerheblich“. Denn, so die Anwälte, Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes verpflichte den Staat, anerkannte private Schulen finanziell zu sichern. „Dies ist ins Grundgesetz geschrieben worden aufgrund der Erfahrung des Nationalsozialismus, der die Privatschulen angegriffen hatte“, sagt der Verwaltungsleiter der Bekenntnisschule. Daß zwei Bundesländer sich nicht einigen können, darf kein hinreichender Grund zur Einschränkung von aus dem Grundgesetz abgeleiteten Rechten sein: Die Bundesländer, so der Anwalt, „sind nicht um ihrer selbst willen da, sondern für die ihnen lebenden Menschen...“
Verschiedene Gerichtsentscheidungen bis hin zum Bundesverfassungsgericht lassen für die Anwälte die Sachlage eindeutig erscheinen: Bremen muß die privaten Schulen im Lande unabhängig vom Wohnsitz der Schüler finanziell hinreichend ausstatten. Das Bremer Privatschulgesetz, das das Land nicht entsprechend verpflichtet, sei „rechtswidrig“, schreibt Anwalt Hauenschild.
Daß es immer noch keine Stellungnahme der Rechtsabteilung des Bremer Bildungssenators zu den Anwalts-Briefes der Privatschulen gibt, läßt die Schulträger hoffen. Für die in der schon aufgenommenen SchülerInnen hat das niedersächsische Kultusministerium schon einen Rückzieher gemacht - für sie soll weiter bezahlt werden, hat der Staatssekretär zugesagt. Am 28.3. werden die beiden Landesregierungen gemeinsam über das Thema beraten.
Auch für Niedersachsen, erklärte jetzt der Grüne MdL Erich von Hofe (Verden), sei es ein teures Vergnügen, die Bildungsgrenze zu Bremen hochzuziehen: An Bremen zahlt das Land weniger als pro Schüler für niedersächsische Schulen ausgegeben werden müßte.
K.W.
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