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Abwarten und Tee trinken

Senat könnte Pächter zu Verzicht auf transgenes Saatgut zwingen, wartet aber, bis die ersten manipulierten Sorten zugelassen sind  ■ Von Gernot Knödler

München macht es vor. Bereits im vergangenen Jahr hat der Stadtrat beschlossen, die Landwirtschaft auf städtischen Flächen solle gentechnik-frei sein. 95 Prozent der Pächter haben unterschrieben. Die Hamburger Behörden wollen lieber warten, bis die erste gentechnisch veränderte Sorte für den Anbau zugelassen ist.

„Die städtischen Güter verwenden auch künftig weder Saatgut noch Futtermittel, die gentechnisch verändert wurden“, heißt eine der zentralen Passagen in dem Münchner Beschluss. Die andere: „Bei der Neuverpachtung werden künftige Pächter bevorzugt, die auf die Verwendung von transgenem Saatgut verzichten. Bei laufenden Pachtverhältnissen wird versucht, mit den Pächtern einen entsprechenden Verzicht zu vereinbaren.“

Alfons Bauschmid, Leiter des Land- und Forstswirschaftsamts in München, hat mit dem Beschluss gute Erfahrungen gemacht. Bei Neuverpachtungen hätten alle Bauern diese Bedingungen akzeptiert. Und bei bestehenden Verträgen hätten sich nur wenige noch nicht mit einer Änderung einverstanden erklärt. Sollte sich ein Landwirt nicht an die Vereinbarung halten, will ihm Bauschmid kündigen.

Den Praxistest konnte die Regel allerdings noch nicht bestehen. Denn noch wurden laut Bundessortenamt in Deutschland keine gentechnisch veränderten Pflanzen für den Anbau zugelassen, sei es im Gartenbau oder in der Landwirtschaft. Zwar gebe es einige Maissorten, die in Verkehr gebracht werden dürfen, eine Zulassung zum Anbau werde aber noch geprüft.

Wann die erste transgene Pflanze angebaut wird, will Uta Schnock vom Bundessortenamt nicht prognostizieren. Denn Anfang des Jahres stand schon einmal die Zulassung des so genannten BT-Maises bevor – dann widerrief das Robert-Koch-Institut die grundlegende Genehmigung, den Mais „in Verkehr zu bringen“.

Aus Sicht der Hamburger Behörden besteht deshalb kein Grund, jetzt einen politischen Konflikt heraufzubeschwören. Erst wenn transgene Sorten auf dem Markt wären, die sich für den Anbau in Hamburg eigneten, würde sich das Thema stellen, meint Bernd Meyer von der SPD-geführten Wirtschaftsbehörde. Und Brigitte Köhnlein von der grün gesteuerten Umweltbehörde sieht „im Moment nicht, dass das in absehbarer Zeit zum Problem werden könnte“. Den Schädling Maiszünsler, der den Anbau von BT-Mais plausibel machen könnte, gebe es in Hamburg gar nicht. Mit dem Anliegen, Gentechnik auf Hamburgs Äckern zu vermeiden, stimme die Umweltbehörde jedoch 100-prozentig überein.

Wirklichkeit ist dies auf den ehemaligen Staatsgütern Wulksfelde, Wulfsdorf und Wohldorfer Hof. Mit deren Betreibern hat Hamburg ökologischen Landbau vereinbart, der die Verwendung gentechnisch erzeugten Saatguts oder transgener Futtermittel verbietet. Für die übrigen Flächen ließen sich nach Auskunft des Liegenschaftsamtes Anti-Gentech-Klauseln vereinbaren.

Fürs Erste ist die Umweltbehörde froh, dass die Landwirtschaftskammer im Frühjahr eine Erklärung zur Gentechnik beschlossen hat. In dem mit dem Bauernverband abgestimmten Papier rät sie „allen landwirtschaftlichen Betrieben in Hamburg beim Anbau gentechnisch veränderter Nutzpflanzen zur größtmöglichen Zurückhaltung“. Gleichzeitig setzt sie „auf die Weiterentwicklung der Forschung, um Nutzen und Risiken dieser Technologie künftig besser abschätzen zu können“.

Das Münchner Verbot, auf öffentlichen Flächen transgene Pflanzen anzubauen, würde die Hamburger Landwirtschaftskammer „nie aktzeptieren“, sagt ihr Geschäftsführer Hans-Peter Pohl. „Wir können keine Zwei-Klassen-Gesellschaft machen“, meint Pohl. Die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche Hamburgs befinde sich in staatlicher Hand. Da hätte eine Anti-Gentech-Klausel „erhebliche agrarpolitische Auswirkungen“.

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