Abtreibungsverbot in Polen: Gesetze gefährden Gesundheit
Der Tod von Agnieszka T. reiht sich ein in eine grauenhafte Zahl: 47.000 Frauen sterben jährlich an unsauber ausgeführten oder verweigerten Abbrüchen.
D ie polnische Regierung habe „Blut an ihren Händen“, postete die Familie der Toten auf Facebook – und die Familie hat recht. Agnieszka T. starb mit 37 Jahren, weil Polen im Oktober 2021 eines der restriktivsten Verbote von Schwangerschaftsabbrüchen in Europa eingeführt hat. Ärzt:innen haben sich bei der mit Zwillingen schwangeren Frau deshalb nun geweigert, einen toten Fötus aus der Gebärmutter der 37-Jährigen zu entfernen. Sie warteten ab, bis der zweite Fötus gestorben war. Agnieszka T. starb an einer Sepsis, berichten die Angehörigen.
Mitten in Europa sterben im 21. Jahrhundert Frauen, weil ihnen Staat und Religion das Recht auf den eigenen Körper verwehren. Der Fall in Polen war nicht der erste im Land, seit das neue Gesetz gilt, und er wird wohl nicht der letzte bleiben. Dabei ist Polen nicht das einzige Land mit restriktiven Gesetzen in Europa. In Malta zum Beispiel sind Schwangerschaftsabbrüche auch dann verboten, wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist.
Und auch wenn es gern in Vergessenheit gerät, weil es Wege gibt, das Verbot zu umgehen: In Deutschland sind Abbrüche zwar unter besonderen Bedingungen straffrei, aber grundsätzlich illegal und im Strafgesetzbuch hinter Mord und Totschlag einsortiert.
Beim Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen geht es nicht darum, Leben zu schützen – sondern darum, den weiblichen Körper und weibliche Sexualität unter die Kontrolle eines patriarchalen, oft religiösen oder fundamentalistischen Systems zu bringen. Abbrüche zu verbieten gefährdet die Gesundheit von Frauen und kann zu ihrem Tod führen. Nirgendwo auf der Welt haben restriktive Gesetze zur Folge, dass es keine Abbrüche mehr gibt. Sie verhindern nur, dass sichere Abbrüche durchgeführt werden und das Leben von Frauen gerettet wird.
SPD und Grüne müssen Farbe bekennen
Vergangene Woche forderte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch in der EU-Grundrechtecharta. Erst im Juni hatten die Abgeordneten des EU-Parlaments für den sogenannten Matic-Report gestimmt, der anerkennt, dass alle Bürger:innen Europas Zugang zu legalen und sicheren Abbrüchen haben sollen.
Rechtlich bindend ist der Report nicht. Hierzulande fordern zwei der drei Regierungsparteien in ihren Programmen, Abbrüche zu legalisieren. Und trotzdem hat es die Ampel nicht geschafft, die Entkriminalisierung im Koalitionsvertrag auf den Weg zu bringen. SPD und Grüne müssen endlich offensiv Farbe bekennen – auf deutscher wie auf europäischer Ebene.
Der Tod von Agnieszka T. reiht sich ein in eine grauenhafte Zahl von Toten weltweit: 47.000 Frauen sterben jährlich an unsauber ausgeführten oder verweigerten Abbrüchen. Alle diese Toten wären vermeidbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!