Abtreibung: Unselige Menschenrechte
Der Vatikan hat zum Boykott von Amnesty International aufgerufen. Es geht um Abtreibung - mal wieder.
So etwas nennt man wohl einen Bannstrahl. Nichts weniger als "Verrat der eigenen institutionellen Ziele" musste sich vorgestern Amnesty International vorwerfen lassen, von dem führenden Vertreter einer anderen größeren international tätigen Organisation: von Kardinal Renato Martino, dem Präsidenten des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden.
Unmöglich findet der Kurienkardinal, dass Amnesty im Rahmen der aktuellen Kampagne "Stoppt Gewalt gegen Frauen" das Thema Abtreibung nicht gut vatikanisch - mit Totalverbot - angeht, sondern Unerhörtes fordert: Frauen, die abtreiben, sollen nicht mit Haftstrafen bedroht werden; Frauen, die Opfer von Vergewaltigung oder Inzest wurden, ebenso wie Frauen, deren Leben durch die Schwangerschaft bedroht ist, sollen das Recht auf Abtreibung erhalten.
Und das soll Schutz der Menschenrechte sein? Nicht für Kardinal Martino. Der hatte Amnesty schon vor einem Jahr gedroht: "Wenn sie das tun, sägen sie am eigenen Ast. Wenn sie das tun, dann sind sie als Verteidiger von Menschenrechten disqualifiziert". Und damit die Rote Karte auch fühlbar wird, folgt die Strafe jetzt auf dem Fuß, per "Suspendierung der Zuwendungen an Amnesty durch die katholischen Organisationen wie auch durch die einzelnen Katholiken".
Bloß: Da lässt der fromme Mann Zahlungen einstellen, die die Katholische Kirche nie geleistet hat, jedenfalls nicht, wenn man Amnesty glauben darf. In einer Pressemitteilung zitiert die italienische AI-Sektion trocken den Artikel 1 des Statutes, der die völlige Unabhängigkeit der Menschenrechtsorganisation nicht nur von Staaten, sondern auch von religiösen Gemeinschaften, Kirchen, Konfessionen festschreibt. Die AI-Vertreter erklären weiter, dass sie "niemals Zuwendungen vom Vatikan oder von Organisationen, die von der Katholischen Kirche abhängig sind", erhalten haben.
So bleiben nur die "einzelnen Katholiken", deren Spenden-Stopp an Amnesty Martino gleich mitverfügt hat. Paolo Pobbiani, Chef der italienischen Sektion, bleibt dennoch gelassen: "Ich glaube nicht, dass die sich von den Worten des Kardinals beeinflussen lassen", erklärte er in der Tageszeitung Corriere della Sera. Und dann gossen die Menschenrechtler gleich noch Öl ins Feuer. Bloß einen Tag nach der Vatikan-Attacke teilte die italienische Sektion mit, dass sie am Wochenende beim "Gay Pride" in Rom dabei ist
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