Abstieg der „Hells Angels“: Klein, aber gerne groß
Polizisten verhaften Mitglieder der „Hells Angels“ in ganz Deutschland. Was ist vom Mythos des wilden Rockers noch übrig? Das Wochenende mit der Freiheitsmaschine.
Bereits vor 60 Jahren fürchtete man die Rocker. Marlon Brando spielte 1953 den „Wilden“, wenig später gab Horst Buchholz den Rebellen, der in Deutschland diskreditierend „Halbstarker“ gerufen wurde.
Doch der halbe Mann galt den Behörden zugleich als brandgefährlich, es hieß Ende der 50er Jahre in Westberlin sogar, die motorradfahrenden Lederjackenträger seien Agenten der Deutschen Demokratischen Republik.
Man versuchte daher, ihnen allerhand Delikte anzuhängen. Doch konnte man die jungen Kerle nicht zähmen, auch wenn sie abends wieder zu ihren Eltern nach Hause fuhren und das Motorrad in der Garage einschlossen. Diese frühen Rocker waren ein bisschen aufmüpfig und ein bisschen unabhängig, ihre Haare wehten im Wind der Freiheit, sie erschienen vor allen Dingen schön – alle, die sich nicht ganz und gar den Eltern, der Kirche und dem Staat unterordneten, wollten so sein wie sie.
Mythos der wilden Kerle
Vor dreißig Jahren schließlich waren die Rocker auch auf dem Land angekommen, nun wehten vor den Gartenlauben der Republik die Südstaatenflaggen, die merkwürdigerweise als Symbol der Freiheit galten, obschon sie ja eigentlich für die Beibehaltung der Sklaverei standen. Die Rocker waren nun weniger schön, sie trugen Bierbäuche vor sich her, hässliche Tätowierungen verunstalteten sie, und auf ihren Motorrädern saßen sie eher wie Fernfahrer hinterm Steuer.
Der Mythos der wilden Kerle verblasste. Jugendliche Rocker, die eigentlich noch Mofas fuhren, vertrieben kleine Kinder von Spielplätzen und tranken heimlich Likör, ältere Rocker spielten in verrauchten Bahnhofsgaststätten mit ihren Kumpels Billard, tranken zu viele Tequilas, hielten ihre „Bräute“ fest im Arm und ihren „Präsi“ für das Größte und weinten hemmungslos, wenn die Harley auf der langen Fahrt wieder zu viele Schrauben verloren hatte.
Rocker waren zu dieser Zeit weder sportlich noch toll, weder wild noch frei, sie waren Kleinkriminelle und Möchtegernganoven, sie verdienten ihr Geld, indem sie ein bisschen Haschisch verkauften oder Türsteherdienste machten, sie waren keine Aufmüpfigen mehr, sondern Angepasste. Dann erschossen sie sich plötzlich gegenseitig.
Erpressen, Schmieren, Drogen Verkaufen
Denn aus den Rockern sind mit einem Mal Businessmen geworden, im osteuropäischen Sinne des Wortes. Nun sind es Leute, die erpressen, schmieren, Drogen verkaufen und Puffs betreiben, auf ihren Freiheitsmaschinen fahren sie nur sonntags herum.
Die „Kutte“ wird zur Uniform, die Gruppenhierarchie wird beinahe militärisch-diszipliniert eingehalten, es herrscht nicht mehr das Testosteron, sondern das Geld.
Und die Polizei sieht in den Rockern keine Kommunisten mehr, sondern erkennt sie als Mafiosi, die in ihren Clubs schmutzige Geschäfte machen und die wieder so brandgefährlich sind, dass man Antiterroreinheiten gegen sie einsetzen muss – derzeit zu beschauen in Norddeutschland und in Berlin.
Dabei sind die Rocker doch nur die, deren schmutzige Geschäfte man zunächst duldete, damit sie „die Albaner“ vertreiben, denn das schmutzige Geschäft wurde nicht etwa bekämpft, es wurde einfach nur verdeutscht.
Kleinbürger und Gernegroß
So ein Rotlichtviertel braucht es in einer großen Stadt ja schließlich. Und der Chef der Truppe, Frank Hanebuth, gehörte nun zu einer Hannoveraner Kleinstadt-High-Society, die nur ein Biedermann wie Christian Wulff für eine Welt voller Glamour halten kann. Der Rocker ist das geworden, was seine Vorfahren einst bekämpften, er ist Kleinbürger und Gernegroß, korrupt, bigott, kleinkariert und hässlich.
Nur wird er noch immer von der Polizei verfolgt, jetzt aber wegen seiner Geschäfte, nicht mehr seiner Aufmüpfigkeit wegen. Und niemand will so sein wie er, der vorm Präsi und Gruppenboss buckeln muss wie jener Sklave, dessen Unterdrückung die Südstaatenflagge noch immer einfordert.
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