Absprachen im Strafprozess: Schäuble dealt jetzt auch
Der Bundesinnenminister zieht seine Bedenken gegen einen Gesetzentwurf für Deals bei Strafverfahren zurück
BERLIN taz Die Bundesregierung wird nun doch noch in dieser Wahlperiode versuchen, die sogenannten Deals im Strafverfahren gesetzlich zu regeln. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat seine verfassungsrechtlichen Bedenken zurückgestellt. Über ein Jahr lang hatte er den Referentenentwurf von Justizministerin Brigittte Zypries blockiert. Jetzt wird der Entwurf am 21. Januar doch unverändert ins Kabinett gehen.
Absprachen im Strafprozess - oft abwertend als "Deal" bezeichnet" - sind seit langem üblich und folgen immer demselben Muster: Wenn der Angeklagte zumindest einen Teil der Vorwürfe gesteht und so das Verfahren beschleunigt, sichert ihm das Gericht eine milde Strafe zu. Der Bundesgerichtshof (BGH) hält solche Absprachen grundsätzlich für zulässig - wenn die Strafe schuldangemessen ist und die Absprache im Prozess öffentlich gemacht wird.
Allerdings hat der BGH den Gesetzgeber 2005 ausdrücklich aufgefordert, eine gesetzliche Regelung der Absprachen zu schaffen. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) legte deshalb 2006 einen Gesetzentwurf vor, der auch die Absprachen in der Strafprozessordnung regeln soll.
Im Herbst 2007 stoppte Innenminister Schäuble das Verfahren und äußerte "verfassungsrechtliche Bedenken". Er griff damit ein weit verbreitetes Unbehagen an diesem "Handel mit der Gerechtigkeit" auf. Schäuble forderte vor allem bessere Kontrollmechanismen. So sollten zum Beispiel die an einem Deal beteiligten Staatsanwaltschaften ihren vorgesetzten Dienststellen dazu berichten.
Die von Schäuble vorgeschlagenen Berichtspflichten stießen aber weithin auf Skepsis. So würde der mit den Absprachen verbundene Effizienzgewinn durch den Aufbau einer neuen Kontrollbürokratie wieder zunichte gemacht. Auch die Generalstaatsanwaltschaften der Länder und die Bundesanwaltschaft zeigten kein Interesse an einer neuen arbeitsintensiven Aufgabe. Unklar war auch, wie überhaupt die Rechtmäßigkeit eines Deals geprüft werden kann, wenn Gericht, Staatsanwaltschaft und Angeklagter übereinstimmend davon ausgehen, dass die rechtsstaatlichen Vorgaben eingehalten sind. Schäuble hofft, dass sein Vorschlag im Bundestag erneut aufgegriffen wird.
In Berlin hatte allerdings mancher Abgeordneter - auch aus der Union - den Eindruck, dass Schäubles Bedenken gegen die Deals vor allem taktischer Natur waren. So konnte er ein Verfahren von Justizministerin Zypries blockieren, während sie bei der BKA-Reform und der Einführung von Online-Durchsuchungen Bedenken äußerte. Für diese Sichtweise spricht, dass Schäuble die Blockade des Deal-Gesetzes just in dem Moment beendete, als das BKA-Gesetz Bundestag und Bundesrat passiert hatte. Das Innenministerium wollte dies am Montag nicht kommentieren.
Absprachen im Strafprozess sorgten zuletzt mehrfach für öffentliches Aufsehen. So wurde Ex-VW-Vorstand Peter Hartz 2007 nach einem Geständnis zu einer Bewährungsstrafe wegen Veruntreuung von Geldern verurteilt.
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