Abschied vom Berenberg Verlag: „Nun ist es genug“
Heinrich von Berenberg möchte keine Bücher mehr verlegen. Das ist schade. Ausgerechnet zum Abschied könnte der Verlag den Buchpreis kriegen.

Heinrich von Berenberg hat einen besonders interessanten Gang. In Berlin sieht man ihn häufiger allein zu Fuß gehen, hager und leicht storchenbeinig, auf dem Weg von seinem Verlag nach Hause. Er wirkt immer so, als ob er sich in einem Zwiegespräch befände mit den Manuskripten, Plänen und verlegerischen Sorgen, die ihn gerade umtreiben. An ihm hängt eine gewichtige lederne Umhängetasche, manchmal so schwer, dass er sie ruckweise in seine Richtung zerren muss.
„Vom Stemmen der Gewichte“, so heißt der Band mit Texten, in denen Heinrich von Berenberg von den Freuden und Herausforderungen des Büchermachens berichtet. Es sind bestimmt ganz eigene Freuden, aber auch viele Herausforderungen. Unmöglich, nicht Sisyphus im Kopf zu haben, wie er in diesem Fall den Stein des Verlegens wieder einmal Richtung Gipfel geschoben hat und nun, für einen Moment der Last enthoben, den Berg wieder hinuntergeht.
Ob Heinrich von Berenberg von nun an leichter gehen wird? Soeben hat er verkündet, dass er seinen Verlag, den Berenberg Verlag, nicht mehr weiterführen wird. Das ist ein kleiner Schock. Man muss diese Entscheidung aber auch respektieren. Heinrich von Berenberg ist 75 Jahre alt, und er blickt auf ein verlegerisches Werk zurück, das ihm spiegeln kann: Er hat seins getan.
Im Berenberg Verlag sind Bücher von Michael Rutschky, Anne Serre. Julio Cortázar, Schuldt, Eliot Weinberger und vielen anderen erschienen. Die Ausstattung der Bände ist stets ganz besonders schön. Um Roberto Bolaño hat sich Heinrich von Berenberg unendlich verdient gemacht. Und es mag sein, dass der Literaturbetrieb dem Verlag zum Schluss noch einen Tusch beschert. Christine Wunnikes Roman „Wachs“ steht auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Vielleicht kriegt sie den Preis ja.
Schwieriges Geschäft
Gleichzeitig ist es auch schlicht schade, dass hier offenbar keine tragfähige Nachfolgeregelung gefunden wurde, anders als etwa beim Wagenbach Verlag, bei dem von Berenberg lange Lektor war, bevor er seinen eigenen Verlag gründete. So muss man hoffen, dass andere unabhängige Verlage weitermachen werden.
Leicht ist das Geschäft derzeit nicht. Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag, Britta Jürgs von Aviva und Sarah Käsmayr vom Maro Verlag haben darüber dieser Tage in einem taz-Talk gesprochen. Unterkriegen lassen wollen sie sich alle nicht.
Auch Heinrich von Berenberg möchte seinen Rückzug nicht als Kapitulation verstanden wissen. Zu den 22 Jahren, die sein Verlag bestand, schreibt er: „Es waren, so viel können wir sagen, gute Jahre. Nun ist es genug.“ Man kann ihm privat und der deutschen Verlagsszene insgesamt nur viel Glück wünschen.
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