Abschiebungen nach Syrien: Syrien ist nicht sicher
Ein blutiger Terroranschlag in Damaskus zeigt, wie prekär die Sicherheitslage ist. Die Bundesregierung sollte ihre Abschiebepläne zurückziehen.

M indestens 25 Tote, über 60 Verletzte. Der Terroranschlag des „Islamischen Staates“ (IS) auf eine griechisch-orthodoxe Kirche in Damaskus zeigt, wie prekär die Sicherheitslage in Syrien auch nach dem Ende des Assad-Regimes ist. Die schreckliche Gewalttat wirft aber auch einen langen Schatten nach Deutschland. Genauer: auf die deutsche Bundesregierung und ihren Plan, bald wieder nach Syrien abzuschieben.
Praktisch sofort mit dem Fall von Langzeitdiktator Assad im vergangenen Winter begannen Unionspolitiker*innen laut darüber nachzudenken, ob viele syrische Geflüchtete jetzt nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren könnten. Würdeloser und kaltherziger hätte die Reaktion auf eine der wenigen guten Nachrichten des vorigen Jahres kaum ausfallen können.
Auch mögliche Abschiebungen wurden damals schnell Thema; wenige Monate später schafften sie es in den Koalitionsvertrag von Union und SPD: „Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben – beginnend mit Straftätern und Gefährdern.“
Um zu erkennen, dass es sich dabei um einen unmenschlichen Plan handelt, braucht es den jüngsten Anschlag eigentlich nicht. Schon in den vergangenen Monaten war klar, dass die neue syrische Regierung oft nicht in der Lage ist, massive Gewalt zu verhindern. Es gab Gewalttaten mit Hunderten getöteten Zivilisten in Regionen der Alawiten und Drusen. Der IS, eigentlich auf einige Wüstengebiete zurückgedrängt, hat vermehrt Aktivitäten gezeigt.

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Und es ist ja nicht so, als ob die Bundesregierung all das nicht wüsste. Vergangene Woche zitierte der Spiegel aus einem geheimen Lagebericht des Auswärtigen Amts zur Lage in Syrien. „Extrem volatil“ und „sehr angespannt“ sei die Sicherheitssituation, heißt es laut Spiegel in dem Dokument. Der Zentralstaat habe nicht flächendeckend das Gewaltmonopol.
Wie prekär die Lage überall ist, unterstreicht der Anschlag in Damaskus. Die Bundesregierung sollte daraus nun schleunigst Konsequenzen ziehen und die Abschiebepläne offiziell zurückziehen. Denn Syrien ist nicht sicher. Für niemanden.
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