■ Abschiebungen: Die SPD schweigt: Sprache verschlagen?
Gestern bemühte sich eine Asylberatungsstelle stundenlang, die Abschiebung einer Frau zu verhindern, die bereits auf dem Flughafen Schönefeld saß: Die Frau ist schwanger und reiseunfähig, und zudem ist ihr Asylverfahren noch nicht abschließend bearbeitet. Rechtlich also genug Gründe, die gegen eine Abschiebung sprechen. Die Realität aber sieht anders aus. Oft genug bleibt der hektische Kampf gegen die Uhr, der für Berliner Flüchtlingsorganisationen inzwischen zur Routine geworden ist, ohne Erfolg.
Seltsam kontrastiert dazu die flotte Erfolgsmeldung von Innensenator Heckelmann über eine Verdreifachung der Abschiebungen. Dabei sind darin nicht einmal jene Menschen enthalten, die wie Rumänen in der Regel gleich ohne Asylverfahren ausgeflogen werden. Die Erfolgszahlen dürften bald noch höher liegen: wenn nämlich die bislang geduldeten Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien abgeschoben werden.
Hat diese Perspektive den Sozialdemokraten die Sprache verschlagen? Wie anders wäre ansonsten zu verstehen, daß für SPD- Politiker das Ende der Duldung bis jetzt nur ein laues Murmeln wert ist? In einer Zeit, in der die Flüchtlingsorganisationen täglich damit beschäftigt sind, die unzureichende bis absichtsvoll-fehlerhafte Arbeit der Ausländerbehörden nachzubessern, kann das jedenfalls nicht genügen. Um dem fatalen Eindruck entgegenzuwirken, sie trage den Kurs mit, muß die SPD jetzt ihr Gewicht in der Koalition nutzen und dem forschen Innensenator in die Parade fahren. Schweigen die Sozialdemokraten weiter, wäre das allerdings auch eine hinreichende Klarstellung. Gerd Nowakowski
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