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AbschiebungMit falschen Papieren in den Tod

Slawik C., der sich in Abschiebehaft das Leben nahm, hätte dort nicht sitzen dürfen. Die Harburger Ausländerbehörde hatte falsche Papiere beschafft.

Idyllisches Winsen/Luhe: Hier schnappte die Falle für Slawik C. zu. Bild: Wikimedia

Die Umstände des Todes des 58-jährigen Armeniers Slawik C., der sich am 2. Juli in der Abschiebehaft mit einem Elektrokabel erhängte, beschäftigt derzeit den Landkreis Harburg. Nach taz-Informationen deutet vieles darauf hin, dass Slawik C. mit falschen Passersatzpapieren abgeschoben werden sollte - und die Ausländerbehörde des Landkreises Harburg dies wusste.

Laut Friedrich Goldschmidt, Ordnungs-Dezernent des Landkreises, hat die Ausländerbehörde zweimal versucht, armenische Passersatzpapiere für C. zu beschaffen, der 1999 mit seiner Familie aus Aserbaidschan geflohen war. Aus Aserbaidschan waren jedoch keine Papiere zu bekommen. Die Ausländerbehörde versuchte es darum zunächst über das niedersächsische Landeskriminalamt, das Bundeskriminalamt und Interpol in Armenien. Dieser Versuch sei jedoch fehlgeschlagen, sagt Goldschmidt. Das Ergebnis sei gewesen: "Es gibt eine Person mit diesem Namen, aber mit anderem Geburtsdatum." Die Bildbearbeitungsstelle des BKA hatte Alarm geschlagen und die Ausländerbehörde darüber informiert, dass das Bild des Mannes, der in Eriwan unter demselben Namen polizeilich registriert war, unmöglich das von Slawik C. sein könne.

Doch die Harburger Ausländerbehörde ließ nicht locker. Beim zweiten Anlauf kontaktierte sie die Zentrale Aufnahme- und Ausländerbehörde, Außenstelle Lüneburg, und diese die armenische Botschaft in Berlin. In den Antrag auf Passersatzpapiere wurden nun die tatsächlichen Daten von Slawik C. hineingeschrieben - nur eben nicht der richtige Geburtsort. Die Botschaft stellte die Papiere für den Mann aus, obwohl nichts dafür sprach, dass er jemals armenischer Staatsbürger war. Die Kosten für diese Gefälligkeit beliefen sich auf 150 Euro.

Am 28. Juni begann für die Familie C. ihr letzter gemeinsamer Tag. Herr C. wollte sich wie alle 14 Tage bei der Ausländerbehörde in Winsen/Luhe melden, Frau C. begann mit der Vorbereitung des Essens. Doch der gemeinsame Sohn kehrte diesmal ohne den Vater heim. Herr C. war in der Ausländerbehörde mit Handschellen verhaftet und zum nahe gelegenen Amtsgericht Winsen/Luhe verbracht worden. Dort wurde er der Richterin M. vorgeführt, die auf Antrag der Ausländerbehörde Abschiebehaft verhängte.

Sowohl den Antrag auf Abschiebehaft als den Erlass eines Vorführbefehls "binnen 24 Stunden, notfalls mit Gewalt" hatte die Ausländerbehörde ursprünglich beim Amtsgericht Tostedt gestellt - dieses war eigentlich zuständig, denn Familie C. wohnt in dem Kurörtchen Jesteburg bei Tostedt. "Der Antrag war schlüssig", sagt der Direktor des Tostedter Amtsgerichts, Joachim Pittelkow. Das Gericht sei "auf die Angaben des Landkreises angewiesen".

Der hat inzwischen allerdings zugegeben, einen Fehler gemacht zu haben. Bei den Anträgen an das Gericht "haben wir irrtümlich reingeschrieben, es hätte ein positives Personenfeststellungsverfahren gegeben", sagt der Harburger Ordnungsdezernent Goldschmidt. Es sei eine "theoretische Fragestellung", wie die Richterin entschieden hätte, hätte sie gewusst, dass die Personenfeststellung negativ verlaufen war, aber dennoch wundersamerweise Passersatzpapiere existierten.

Nach Informationen des niedersächsischen Flüchtlingsrats erhielt Slawik C. in der Abschiebehaft Medikamente - offenbar handelte es sich um Beruhigungsmittel. Zwei Tage vor seinem Tod sei er "zu seiner eigenen Sicherheit" in Sicherungsverwahrung genommen worden, wo er sich an den Armen und am Kopf verletzte. Am nächsten Tag bekam Slawik C. Besuch von seiner Familie - da war er wieder in seiner Zelle.

Bei der Vorführung am Amtsgericht Winsen Luhe hatte die Richterin festgestellt, es bestehe "keine Suizidgefahr". Wie sie zu dieser Einschätzung kam, welche Haftprüfung sie durchgeführt, ob ein Amtsarzt oder Psychologe seine Unterschrift hergab - das ist bisher nicht bekannt. Slawik C. hatte keinen Rechtsanwalt, er stand vor Gericht allein.

Ob das Amtsgericht Tostedt anders vorgegangen wäre als das in Winsen/Luhe sei eine Frage, die ihn auch beschäftige, sagt der Tostedter Gerichtsdirektor Pittelkow. Die Verlegung an das Nachbargericht war kein Versehen, dahinter stand eine Strategie. "Das hat man bewusst getan, damit sich die Situation nicht zuspitzt", sagt Georg Krümpelmann, der Sprecher des Landkreises Harburg. Das Gericht wurde offenbar kurzfristig gewechselt, als klar war, das Slawik C. an jenem 28. Juni bei der Ausländerbehörde in Winsen/Luhe auftauchen würde. So ließ er sich geräuschlos festnehmen.

Ursprünglich wollte die Ausländerbehörde Slawik C. offensichtlich zusammen mit seiner Frau abschieben. Man habe "über die Zentrale Aufnahme- und Ausländerbehörde Niedersachsen - Außenstelle Lüneburg - ein armenisches Passersatzpapier für den Betroffenen und seine Frau beantragt", heißt es in dem Antrag auf Abschiebehaft für Slawik C. Vermutlich schlug die Beschaffung von Papieren für die Frau fehl.

Die Witwe hat sich nun einen Anwalt genommen. Sie möchte gegen den Landkreis Harburg Strafanzeige stellen.

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6 Kommentare

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  • I
    IchhabdamalneFrage

    Wenn ich den Artikel lese, könnte ich fast glauben, daß Behörden und Gerichte in Deutschland ohne jegliche rechtliche Grundlage arbeiten.

     

    Mir klingt der Bericht eher, als hätte jemand zu viel Akte X geguckt. Es gibt keine staatliche Kontrollfunktion mehr? Gerichte werden ausgehebelt? Die Ausländerbehörde kann sich einfach aussuchen, welches Gericht ihr genehm ist? Alle beteiligten Behörden (und da sind ja so einige genannt) haben nur getan, was die böse Ausländerbehörde verlangt? Der Rechtsstaat völlig ausgehebelt? Klar! Und die armenische Botschaft hat dann für ein lachhaftes Bestechungsgeld von 150 Euro falsche Papiere ausgestellt! Ja, das glaube ich ganz bestimmt. Mully und Sculder lassen grüßen.

     

    Meine Fragen: Wer war Slawik C. wirklich? Wo sind seine echten Papiere? Warum hat er sie der Ausländerbehörde nicht gegeben? Warum erhob sich erst nach seinem Tod ein großes Wehklagen? Weshalb hat sich nach der Verhaftung fast eine Woche lang niemand für seinen Verbleib interessiert?

     

    Es ist traurig, daß sich Herr C. das Leben genommen hat. Wie konnte das passieren? Ach, ich weiß. Die Ausländerbehörde hat bestimmt den Wasserkocher in die Haftanstalt geschmuggelt...

     

    Sorry, aber Euer Bericht ist mir echt zu einseitig.

  • K
    knödelwurst

    und die moral von der geschichte?

     

    dokumente fälschen, die ausweispficht missachten - dann darf man auch nicht abgeschoben werden?!

  • M
    Murat

    Mag zwar tragisch sein, aber für den Tod ist einzig er alleine Verantwortlich!

  • T
    Torchlight

    Ist die Art, wie die Ausländerbehörde über das Leben der btroffenen Familie entscheidet, nicht sogar als kriminell einzuordnen.

    Klar gibt es dafür Gesetze und der Prozess wäre ohne diese "Personaldatenmogelei" formal korrekt gewesen.

    Ich würde aber trotzdem behaupten, dieser Umgang mit den Betroffenen ist kriminell.Würde eine ähnliche Geschichte z.B. aus Iraq, Iran berichtet würde man das als Verschleppung bezeichnen.Die Behörde hatte ja geplant Herrn Slavic in dem Gebäude festzunehmen.Das ist schon krass. Ohne Ankündigung, ohne Rechtsbeistand. Herr Slavic muss sich gegenüber diesem staatl. Apparat sehr hilflos und ausgeliefert, überrumpelt gefühlt haben- Gründe wahrscheinlich, weswegen er aus Aserbaidschan in die Bundesrepublik geflüchtet ist.

    Ähnliche Geschichten, allerdings nicht so krass wie diese, kann jeder "normale" Deutsche erfahren, der Bekannte hat, die sich regelmässig bei der Ausländerbehörde melden müssen. Auch Menschen, die keine Flüchtlinge sind (Studenten, Verheiratete) werden dort wie eine rechtlose, minderwertige Masse behandelt. Wahrscheinlich wissen die Beamten, welche Macht und Willkür ihnen gegenüber den Betroffenen zusteht. So ein lausiger Stempel- eine Velängerung usw. entscheidet dann über das gesamte jetzige Leben der Betroffenen- Arbeit, Familie, Freunde.

    Für diese Personen mutet dann die BRD nicht wie ein Rechtsstaat an sondern alles verängt sich auf die Beamten: Daumen hoch oder runter?

    Wann wird eigentlich der Asylkompromiss von '93 aufgehoben? Und Residenzpflicht?

  • J
    j .

    Grundsätzlich guter Artikel- und interessant mal wieder die Rolle der Niederländischen ZAAB darin zu sehen.

    Allerdings eine kleine Ungereimtheit- "Die Umstände des Todes des 58-jährigen Armeniers (!) Slawik C.,..." für den Mann aus, obwohl nichts dafür sprach, dass er jemals armenischer Staatsbürger war".

    Wie kommt es zu der Zuschreibung dass er Armenier war? War dies die seine Selbstdarstellung? Oder wurde hier die Darstellung der Ausländerbehörde übernommen?

  • P
    peter

    Leben wir eigentlich noch in einem Rechtsstaat??

    Natürlich wird keinem der Beteiligten nur das geringste Widerfahren eventuell- bekommen diese sogar für die "Entsorgung"(der Sarkasmus sei mir zugestanden) eines unerwünschten Ausländers noch hinter vorgehaltener Hand ein Danke..

    Hinter alledem steckt aber mehr als dieser Einzelfall.Es ist politisch nicht gewollt unser Land offen zu halten (ob dies gut oder schlecht ist kommentiere ich jetzt nicht) und die Beamten machten sich zum gehorsamen Handlanger der politischen Meinung.Hatten wir das in Deutschalnd nicht schon einmal?