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Abschiebung jesidischer FamilieBrandenburg will abgeschobene Familie zurückholen

Der Fall einer zu Unrecht abgeschobenen jesidischen Familie habe ihn bewegt, sagt Brandenburgs Innenminister Wilke. Er will nun die zügige Rückholung.

Brandenburgs neuer Innenminister René Wilke (parteilos, für SPD) Foto: Hannes P Albert/dpa

Potsdam/Berlin dpa/taz | Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos, für SPD) setzt sich für die Rückkehr einer abgeschobenen jesidischen Familie aus dem Irak ein. Die Familie mit vier minderjährigen Kindern aus dem brandenburgischen Lychen (Uckermark) wurde am Dienstag nach Bagdad ausgeflogen, obwohl ein Gericht ihre Ausreisepflicht am selben Tag aufgehoben hatte.

„Angesichts der Verkettung der Umstände, des konkreten Schicksals der Familie und des Gebotes, Rechtskonformität herzustellen, habe ich die zuständigen Behörden in Brandenburg damit beauftragt, in Abstimmung mit den Behörden des Bundes auf die zügige Rückholung der Familie hinzuwirken, sofern die gerichtliche Entscheidung Bestand hat“, sagte Wilke am Freitag.

Es sei jetzt dringend erforderlich, dass der Bund den Betroffenen die erforderlichen Reisepapiere ausstelle und als Adressat der Gerichtsentscheidung diese anerkenne, erklärte der Innenminister weiter.

Die Je­si­d:in­nen sind eine religiöse Minderheit, die während der Terrorherrschaft des Islamischen Staats seit 2014 bestialisch verfolgt wurde. Die Familie kam 2022 aus dem Nord-Irak nach Deutschland. Wie ein Verwandter der taz berichtete, handele es sich um eine in Deutschland „bestens integrierte Familie“. Trotzdem wurde ihr Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, es bestehe keine ernste Gefahr im Herkunftsland.

Erfolgreicher Eilantrag

„Einen Asylantrag von Menschen, die einen Genozid überlebt haben und deren Herkunftsregion immer noch zerstört ist, kann man nicht mit guten Argumenten als offensichtlich unbegründet ablehnen“, sagte die Rechtsanwältin der Familie mit Blick auf die Entscheidung des Bamf.

Die Anwältin hatte sich am Dienstag vor dem Abschiebeflug per Eilantrag ans Verwaltungsgericht Potsdam gewandt. Sie hatte Erfolg, doch als die Entscheidung fiel, saß die Familie bereits im Flugzeug Richtung Irak.

Der Vorfall habe ihn bewegt, sagte nun Innenminister René Wilke. Der schriftliche Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nachträglich aufgehoben wurde, habe aber erst nach der Landung in Bagdad vorgelegen. „Damit war hier keine Einflussmöglichkeit der beteiligten Behörden mehr gegeben“, erklärte er.

Po­li­ti­ke­r:in­nen von SPD, Grünen und der Linken hatten die Rückholung der Familie verlangt. Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl hält die Abschiebepraxis von Deutschland ohnehin für unmenschlich und dringt auf einen Abschiebestopp für Je­si­d:in­nen aus dem Irak. Der Bundestag hatte 2023 die Verbrechen des IS im Jahr 2014 an den Je­si­d:in­nen als Völkermord anerkannt.

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