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Abschiebestopp illegal

■ Urteil gegen Hessens Abschiebestopp

Kassel (AFP) – Der Abschiebestopp in Hessen für KurdInnen aus der Türkei hätte der Zustimmung des Bundesinnenministeriums bedurft und ist deshalb gesetzeswidrig. Das entschied der hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel in einem Eilverfahren, wie das Gericht gestern mitteilte. Die Richter begründeten ihren nicht mehr anfechtbaren Beschluß damit, daß die Länder in eigener Kompetenz nur einen Abschiebestopp von bis zu sechs Monaten erlassen dürfen (AZ: 12 TG 2342/95). Der VGH billigte den Landesbehörden zwar „ein weites Ermessen“ beim Erlaß eines ersten Abschiebestopps zu. Sofern er „zusammenhängend oder mit Unterbrechungen“ über sechs Monate hinausgehe, bedürfe er jedoch des „Einvernehmens“ aus Bonn. Der Bund habe dem Abschiebestopp in Hessen aber nur bis zum 20. November 1994 zugestimmt. In Landeskompetenz sei ein erneuter Abschiebestopp erst dann wieder möglich, wenn sich die „relevante Sachlage geändert hat“. Dies sei aber weder erkennbar noch vom Land dargelegt worden. Im Gegensatz zu anderen SPD-geführten Ländern hatte Hessen seinen eigenen generellen Abschiebestopp im November nicht verlängert, sondern war zu einer Einzelfallprüfung im Innenministerium übergegangen. Im Februar hatte Hessen dann erneut einen kurzfristigen Abschiebestopp bis Ende März erlassen, dem der hessische VGH jedoch ebenfalls bereits jede „Rechtswirkung“ abgesprochen hatte, weil die Zustimmung aus Bonn fehle. Der jüngste hessische Abschiebestopp, von dem rund tausend KurdInnen betroffen sind, wurde am 13. Juni erlassen. Die Landes-CDU hatte Innenminister Gerhard Bökel (SPD) vorgeworfen, damit „Schlepperbanden“ zu ermuntern, „Asylbewerber verstärkt einzuschleusen“. Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) kritisierte den Abschiebestopp als „offensichtlich rechtswidrig“. Demgegenüber hatte sich Bökel auf „Humanität und Liberalismus“ berufen. Abgeschobene KurdInnen würden in der Türkei immer wieder über mehrere Tage festgehalten und dabei auch mißhandelt. Hessens Innenminister hatte darauf verwiesen, daß der Abschiebestopp mehrere Monate unterbrochen war. Der Gerichtshof entschied jedoch, daß das Land trotz dieser Unterbrechung nur dann einen Stopp erlassen kann, wenn sich in der Zwischenzeit die Situation für abgeschobene KurdInnen in der Türkei verschlechtert hat.

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