Abschiebepolitik in Österreich: Innenministerin in Erklärungsnot
Nach der Kritik an der Abschiebung zweier Kinder muss der Chef der Wiener Fremdenpolizei gehen. Österreichs Innenministerin Fekter will den Fall jetzt noch einmal prüfen.
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WIEN taz | Ministerin Gnadenlos, Eiserne Lady und ähnliche Beinamen hat sich Österreichs Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) erworben. Bei "Asyl in Not" heißt sie nur mehr Abschiebeministerin. Denn das unter ihrer Ägide mehrmals verschärfte Asyl- und Fremdenrecht wird oft geradezu ostentativ brutal durchgesetzt.
Jetzt gibt sich Fekter plötzlich geradezu kuschelweich. Am Freitag setzte sie überraschend den Chef der Wiener Fremdenpolizei Stefan Stortecky ab. Damit reagierte sie auf öffentliche Kritik an der Abschiebung achtjähriger Zwillingsmädchen, deren Mutter in psychiatrischer Behandlung ist. Nicht nur Menschenrechtsorganisationen, Kirchen und Grüne zeigten sich empört, auch Bundespräsident Heinz Fischer, Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) und andere Prominenz setzten sich für die Familie ein.
Am Wochenende ließ Fekter verlauten, man werde nochmals prüfen, ob den kosovarischen Mädchen und ihrem Vater nicht doch humanitärer Aufenthalt gewährt werden könne. Damit kam sie einer Solidaritätsdemonstration in der Stadt Steyr zuvor, wo die Familie sechs Jahre lang gewohnt hat. Auch für die 14-jährige Araksya M. aus Georgien und ihre kranke Mutter, die letzte Woche nach Ungarn abgeschoben werden sollten, bemüht man sich um eine humane Lösung.
Schon vorher hatte die Innenministerin zugegeben, dass es unangemessen sei, Kinder von bewaffneten Polizisten abholen zu lassen. Damit sich solche Fälle nicht wiederholen, soll das Amt eines Abschiebungs-Ombudsmanns geschaffen werden, der Beschwerden zu prüfen hat.
Der Umschwung hat seinen Ausgangspunkt im Büro von Vizekanzler und ÖVP-Parteichef Josef Pröll, der einen Zusammenhang zwischen der Zwillingsabschiebung und dem Absturz seiner Partei bei den Wiener Gemeinderatswahlen vor einer Woche sieht. Auch die nächste Verschärfung des Asylrechts, die am Dienstag im Ministerrat abgesegnet werden sollte, wurde von der Tagesordnung genommen.
Die Regelung, wonach Asylbewerber während des Erstaufnahmeverfahrens eingesperrt werden, tritt damit nicht zum 1. Januar in Kraft. Für die Opposition und viele Kommentatoren ist Fekter dennoch rücktrittsreif. Die Absetzung von Stortecky wird als Bauernopfer interpretiert, das von der eigenen Verantwortung ablenken soll.
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