Abschaffung des Länderfinanzausgleichs: Geld gegen Macht
Die Bundesländer haben Schäuble 10 Milliarden Euro mehr pro Jahr abgerungen. Dafür erhält der Bund mehr Einfluss bei Autobahnen und Überwachung.
Aus anderen Verhandlungen, beispielsweise mit Griechenland, ist der CDU-Finanzminister für solche Großzügigkeit nicht bekannt. Hier aber zeigt er Entgegenkommen. Im Jahr 2020 erhalten die 16 Länder 9,7 Milliarden Euro mehr als heute aus den gemeinsamen Steuereinnahmen. Der Betrag steigt bis 2030 auf 14 Milliarden. Der Bund verzichtet auf diese Summe.
Das ist das immer noch erstaunliche Ergebnis einer langjährigen Debatte, die unter der Überschrift „Länderfinanzausgleich“ ablief. Worum geht es? Gegenwärtig wird ein Teil der Steuereinnahmen zwischen den Ländern umverteilt, damit sich die Lebensbedingungen in ärmeren und reichen Regionen nicht zu sehr auseinanderentwickeln. Im vergangenen Jahr zahlten Bayern 5,8 Milliarden Euro in diesen Topf, Baden-Württemberg 2,5 Milliarden und Hessen 2,3 Milliarden. Alle anderen Länder bekamen etwas davon ab, Berlin mit fast 4 Milliarden den größten Anteil. Dieser Verteilungsmodus ging den Regierungen der Geberländer zunehmend auf die Nerven. Zusammen mit Hessen klagte Bayern-Chef Horst Seehofer (CSU) beim Bundesverfassungsgericht.
Das neue Berechnungsverfahren, das ab 2020 gilt, sieht nun anders aus. Bayern beispielsweise wird zunächst etwa 1,3 Milliarden Euro pro Jahr sparen. Mehr noch: „Kein Land kommt schlechter weg als vorher“, sagt Kristina van Deuverden, Ökonomin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Und das, obwohl bald auch die bisherige Ostförderung des Solidarpakts endet. Mit im Verhandlungspaket ist unter anderem der Unterhaltsvorschuss: Alleinerziehende erhalten künftig bis zum 18. Geburtstag ihrer Kinder den Unterhalt aus öffentlichen Kassen, wenn der andere Elternteil nicht zahlt.
Schäuble willigte ein, weil die 16 MinisterpräsidentInnen an einem Strang zogen. Bei den Verhandlungen stand es 16 zu 1. Die Länder einigten sich auf Kosten des Bundes. Die Zustimmung fiel dem Finanzminister jedoch leichter, weil er im Geld schwimmt. Ständig steigen die Steuereinnahmen. Wegen der guten Wirtschaftsentwicklung erwirtschaftet der Staat Überschüsse. Außerdem ist Schäuble empfänglich für die schwierige Lage in manchen Ländern und Kommunen. Er weiß, dass ohne zusätzliches Geld die steigenden Ausgaben für Sozialleistungen, Flüchtlingshilfe und Reparaturen in Schulen nicht zu stemmen sind.
Aber kostenlos ist die Einigung auch für die Länder nicht. „Die zentralstaatliche Kompetenz wird gestärkt, der Ausgleich unter den Ländern hingegen geschwächt“, sagt van Deuverden. Das Geschäft folgt dem Prinzip Geld gegen Macht. Schäuble spendiert Milliarden, dafür erhält der Bund zusätzlichen Einfluss. Etwa Ausbau und Instandhaltung der Autobahnen organisieren künftig nicht mehr die Landesministerien, zuständig ist dann eine Bundesgesellschaft.
Von erheblicher politischer Bedeutung sind die neuen Überwachungsrechte, die der Bund für die Finanzen der Länder bekommt. Diese müssen bald eine Schuldenbremse einhalten, die härter wirkt als auf nationaler Ebene. Staatsverschuldung auf Landesebene ist dann kaum noch möglich. Die Regierungen ärmerer Regionen suchen deshalb bereits heute nach Möglichkeiten, die zukünftige Regelung zu umgehen. Ein Variante: Privatwirtschaftliche Gesellschaften unter staatlicher Hoheit könnten Kredite aufnehmen. Solche und andere Ausweichreaktionen will Schäuble durch die schärfere Aufsicht des Bundes über die Länder verhindern. Das ist ihm auch 10 und mehr Milliarden pro Jahr wert.
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