Abriss aus Kostengründen: Bürger wollen ihre Brücke behalten
Eine Fußgängerbrücke in Neukölln soll abgerissen werden, weil ihr Erhalt zu teuer sein soll. Bürger wollen das Relikt aus Mauerzeiten behalten.
Auf dem Kiehlsteg herrscht am Donnerstagnachmittag reger Verkehr: Spaziergänger schlendern, Radfahrer schieben, kleine Kinder werfen durchs Holzgeländer Steinchen ins Wasser. Viele Anwohner west- und östlich des Neuköllner Schifffahrtskanals nutzen die Holz-Stahl-Konstruktion täglich. Doch am Montag soll die Fußgängerbrücke abgerissen werden. Aus Protest dagegen ruft eine Bürgerinitiative für den heutigen Samstag zur Demonstration.
Der Kiehlsteg entstand 1962, weil nach dem Mauerbau der östliche Teil Neuköllns vom Westen quasi abgeschnitten wurde: Die einzige Brücke in der näheren Umgebung, die Lohmühlenbrücke, wurde unpassierbar, ihr östliches Ende lag bereits im Grenzbereich. So baute man 60 Meter weiter südlich den Kiehlsteg. Nach dem Fall der Mauer blieb das Brückchen bestehen. Nur ist es inzwischen nach Aussage der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sanierungsbedürftig. Laut Sprecherin Petra Rohland würde eine Instandsetzung 260.000 Euro kosten. Daher wurde der Abriss beschlossen. Der kostet 42.000 Euro.
Für die flugs gegründete Bürgerinitiative "Kiehlsteg erhalten!" sind diese Zahlen aus der Luft gegriffen. "Das Konzept würden wir gerne sehen", erklärt Sprecher Tom Küstner. Nach ihren Informationen wäre eine denkmalgerechte Sanierung für rund 30.000 Euro zu haben. Außerdem empört die Initiative, dass der Abriss "klammheimlich" beschlossen worden sei. Dabei seien "so gut wie alle betroffenen Anwohner" für den Erhalt der Brücke - was eine Stichprobe vor Ort bestätigt.
Für Samstag, den 15. März 2014, ruft die Bürgerinitiative "Kiehlsteg erhalten!" zur Demonstration. Beginn ist um 12 Uhr auf der Brücke am Weichselplatz in Neukölln. Ab 14 Uhr gibt es ein Konzert, ab 15 Uhr sind Gespräche mit Anwohnern geplant, die persönliche Geschichten über den Kiehlsteg erzählen - auch aus alten Mauerzeiten. Die Abschlusskundgebung ist für 16 Uhr vorgesehen. (SUM)
Weil der Steg aber auch historisch interessant ist, stellte eine der Initiatoren - die Inhaberin des Cafés Rudimarie am Weichselplatz - am Dienstag beim Landesdenkmalamt Antrag auf Denkmalschutz und legte Widerspruch gegen den Abriss ein. Gleichzeitig beantragte sie beim Verwaltungsgericht einstweiligen Rechtsschutz.
Dem gab das Gericht am Freitag nicht statt: Eventuelle Denkmalschutzrechte könne nur der Eigentümer in Anspruch nehmen - also das Land. Der Abriss kann damit am Montag beginnen. Die Initiative gibt dennoch nicht auf, sagt Tom Küstner: "Wir haben eine Reihe von kreativen Maßnahmen zur Hand."
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