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Abriss-Pläne von GenossenschaftStreit um Häuserzeile

Die Vereinigte Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft möchte eine Siedlung in Hamm abreißen und neu bauen, die Bewohner sähen sie lieber saniert.

Sanieren oder abreißen? Die Bewohner der "Elisa" möchten in ihren Altbauten wohnen bleiben. Bild: liks

Blumen auf dem Balkon, Transparente in den Fenstern: Die Bewohner der „Elisa“ wollen den historischen Backsteinblock in Hamm nicht verlassen müssen. Viele von ihnen wohnen seit Jahrzehnten in dem hufeisenförmigen Gebäude aus den 1920er Jahren, 59 von insgesamt 122 Wohnungen sind noch vermietet. Doch der Eigentümer, die Vereinigte Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft (VHW) will die Häuserzeile abreißen.

Seit über einem Jahr versuchen sich die Konfliktparteien zu einigen. Doch auch der fünfte Runde Tisch am vergangenen Mittwoch brachte aus Sicht der Initiative „Rettet Elisa“ kein zufriedenstellendes Ergebnis. Dass in der Siedlung Handlungsbedarf herrscht, darüber sind sich beide Seiten einig. Die VHW aber hält an Abriss und Neubau fest. Für die Initiative eine herbe Enttäuschung – gerade weil sie über Monate mit einem Architektenbüro Kompromissvorschläge für eine Sanierung erarbeitet hatte.

Bei der Sanierung des Gebäudes geht es um rund 11 Millionen Euro. „Wir sind einen großen Schritt auf die VHW zu gegangen“, sagt Michael Brackhahn von „Rettet Elisa“: Man bot an, die Sanierungskosten teilweise auf die Mieter umzulegen, obwohl das den durchschnittlichen Mietpreis um 50 Prozent erhöhen würde. Die VHW hält einen Neubau für langfristig rentabler: „Eine Sanierung wäre lediglich eine lebensverlängernde Maßnahme“, sagt Vorstandsmitglied Marco Hahn. Ein Neubauprojekt dagegen würde die Stadt subventionieren. Dank dieser Förderung könnten die Mieter in einem Neubau günstiger wohnen als im sanierten Altbau, rechnet Hahn vor.

Die Initiative dagegen argumentiert mit Berechnungen des Architekten Joachim Reinig: Demnach würden sich die Mietpreise in einem Neubau mehr als verdoppeln. Derzeit kosten die Wohnungen in der „Elisa“ durchschnittliche 4,50 Euro je Quadratmeter. Eine 30-Quadratmeter-Wohnung ist für weniger als 200 Euro Warmmiete zu haben.

Dennoch steht inzwischen mehr als die Hälfte der Wohnungen leer, zum Teil schon seit Monaten. Michael Brackhahn von „Rettet Elisa“ hält diese voranschreitende Entmietung für eine „soziale Erosion, die bewusst gesteuert ist. Damit soll Druck auf die Mieter ausgeübt werden“. Gegen die Möglichkeit der Zwischenvermietung, etwa an wohnungssuchende Studenten, habe sich die VHW quergestellt. Die Genossenschaft wiegelt ab: Man habe mit dem Studierendenwerk gesprochen, aber es mangele an der „entsprechenden Nachfrage“, sagt Hahn.

Die VHW will sich in den kommenden Wochen noch einmal mit den Bewohnern auseinandersetzen. „Wir werden Überzeugungsarbeit leisten“, sagt Hahn. Er sei sicher, „dass es durchaus Bewohner gibt, die für eine Neubauvariante offen wären“. Einen letzten Runden Tisch mit Betroffenen und Bezirkspolitik soll es dann noch geben: um „die Entscheidung zu kommunizieren“, sagt Hahn, die „zeitnah“ fallen soll. Sie liegt beim Vorstand – und der kann sich auch über die Wünsche von Genossenschaftsmitgliedern hinwegsetzen. „Wir befinden uns in einem sehr offenen und transparenten Prozess“, sagt Hahn – „aber eben in keinem basisdemokratischen.“

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7 Kommentare

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  • BU
    Barbara Uduwerella

    @Lars Langner

    Wenn Sie tatsächlich für eine rd. 50qm große Wohnung 200 € Heizkosten zahlen, so sollten sie froh sein, wenn die VHW nicht Genossenschaftsgelder für eine Sanierung verplempert, sondern neu baut.

    Bei uns hat sich die Sanierung geelohnt. Die Wärmedämmung und die Entfernung der Durchlauferhitzer haben unsere Heizkosten drastisch gesenkt, ebenso die Stromkosten. ich zahle monatlich nicht einmal 50€ für die Heizung und habe es trotzdem kuschelig warm.

    Der Vorstand der Genossenschaft hat wirtschaftlich mit unseren Anteilen umzugehen. Der Neubau würde zwar rd.

    rund 24,4 Millionen @ kosten, aber man bekäme rd 80% der Kosten über Fördermitel u. Kredite finanziert, so dass bei einem Neubau nur rd. 2,4 Millionen aufgebracht werden müsen, weil der Grundstückwert gegengerechnet werden kann.

    Die Sanierungskosten beziffert die VHW mit etwa 11,4 Millionen €. An Fördermitteln würde die Stadt lediglich drei Millionen Euro zur Verfügung stellen. Die VHW müsste 7,4 Millionen € aufbringen - also fast vier Millionen Euro mehr als bei einem Neubau. Ob darin schon die Fremdunterbringung der jeweiligen Mieter während der Renovierung enthalten ist, weiß ich nicht.

    Erklären Sie mir doch mal, warum alle Genossenschaftsmitglieder einen maroden Altbau sanieren und dafür auch noch 4 Millionen € der Genossenschaftsgelder in den Sand setzen sollen, statt kostengünstiger einen Neubau zu erstellen, der dem neusten Stand der technik und des Umweltschutzes entspricht?

    Wenn Ihnen der zugesagte Preis von 5,90 €/qm für eine neubauwohnung zu hoch ist, so rate ich Ihnen: Ziehen Sie bei der SAGA ein, dort zahlen sie mehr!

     

    @Andreas

    Der Vorstand wurde gerade gewählt, hat also das Vertrauen der Mehrheit der Genossenschaftmitglieder.

    Warum sollten wir noch einmal wählen? ;-)

  • J
    Johanna

    Hamm wird immer mehr zum Schickimicki-Stadtteil.

     

    Sollen hier auch bald nur noch Juppies wohnen dürfen ? Hamm war auch mal ein Arbeiterstadtteil !

     

    Ich möchte nicht wissen, wann mir die nächste Mieterhöhung ins Haus flattert.

  • A
    Andreas

    Vorstand einfach abwählen?

     

    Ja, sind die Bewohner denn nicht auch Genossen? Mit Stimmrecht?

     

    Dann sollen die diesen seltsamen Vorstand doch einfach abwählen und das Thema ist erledigt! Verstehe nicht, wo hier das Problem sein soll?!?

  • L
    Langner

    @ Liebe Frau Barbara Uduwerella

     

    Zurückziehen würden sicherlich alle diese Bewohner. Herr Hahn, Vorstand der VHW, hat ja gestern großherrlich angekündigt das Alle, auch die zurückziehen wollen NUR 5,90 EUR zahlen müssen, mehr nicht! Das ist doch toll, wenig Miete und dann noch Neubau! Und noch was: Wie "unintelligend" kann man eigentlich sein in einer dunklen, feuchten Wohnung zu wohnen und dafür auch noch Miete zu zahlen? Will damit sagen: Gegen die VHW vorgehen und auffordern diesen Umstand umgehend zu beseitigen!...und noch was: Gelogen ist das 200 EURO warm gelogen sein sollen! Ich habe eine 30 qm Whg und zahle im Durchschnitt bei meiner Ofenbeheizung tatsächlich nur 200 Eur im Monat! Das ist ein Fakt!!!!...und einen hab ich noch: Bei einem von der VHW bevorzugten Neubau belastet die VHW die Kasse der Stadt Hamburg mit 16 Millionen Euro die sie als Kredit gefördert bekommt und schafft damit KEINEN neuen Wohnraum. Alles entgegen der Grundsätze unseres ersten Bürgermeister! Wohngeld muss gezahlt werden und AlgII Empfänger müssten ggf wegen zu hoher Mieten in der Folge der Jahre von Amtswegen ausziehen....auch das belastet die Kasse von Hamburg!!! Sozialverträglich ist da was anderes. LG

  • LL
    Lars Langner

    Ja, und dann ist sie gelaufen, die gestrige Veranstaltung der VHW zu der alle betroffenen Mieter der Wohnanlage geladen waren. Wieder wurde massiv Werbung für einen Neubau gemacht, eine Werbung die niemand WILL! Anstatt auf die Bedürfnisse und Belange der Genossen einzugehen werde bunte Bilder an die Wand geworfen wie schön doch alles sein könnte. Da werden Worte wie „ist in Planung“ benutzt obwohl man uns im selben Satz verkaufen möchte das es alles nur Ideen wären wie es aussehen könnte, eine echte Farce!

    Die VHW hat es einfach in den letzten 14 Monaten nicht begriffen was wir Mieter wollen, im Gegenteil: Ich und viele andere hatten hier ein Deja vu! Das hatten wir alles in ähnlicher Form schon am 29.08.2011, der Tag an dem laut VHW noch kein Abrissantrag gestellt war OBWOHL und wissentlich uns hinters Licht geführt, dieser schon am 22.08.11 gestellt war!

    Nichts desto trotz konnte sich die VHW gestern auf absolutem Krampf hin und durch Druck der Versammlung abringen lassen, dass wenn sich eine Mehrheit der Mieter für den Erhalt ausspricht dieser auch umgesetzt wird! Herr Hahn war in diesem Moment sichtlich „not amused“. Es soll dazu mit einem durch die Mieterinitiative, dem Mieterverein und auch in Zusammenarbeit mit der VHW ausgearbeiteten Fragenkatalog in Einzelgesprächen versucht werden zu ermittelten, welche Variante die Mieter bevorzugen. Herrn Hahn versprach uns am Runden Tisch jetzt endlich „mitzunehmen“. Mitgenommen hat er uns, aber nur durch den Ersatzneubau! Eine Anekdote noch zum Schluss: Herr Hahn versprach uns während der Präsentation (zum Glück gab er uns nicht sein „Ehrenwort“) das alle betroffenen Mieter im Ersatzneubau für 5,90 EUR/qm wohnen könnten! Eine sehr gewagte Aussage zumal es Richtlinien gibt, die dies definitiv zu verhindern wissen, wie z.B. der 2.Förderweg! Aber wir wissen ja auch: „Niemand hat die Absicht einen Neubau zu errichten!“ oder wie war das noch……..?

  • BU
    Barbara Uduwerella

    Ich bin Genossenchftmitglied der VHW. Ein Bewohner der „Elisa“ ist in unser Haus gezogen und will dahin gar nicht mehr zurück, weil seine Wohnung feucht und ihm zu dunkel war. Ein weiterer Bewohner, dn ich gut kenne, ist auch heilfroh, das er eine andere Wohnung bekommen hatte.

    Sicher ist es für viele Bewohner, die in Jahrzehnte langer Hausgmeinchaft gelebt haben schwer, sich zu trennen, aber 200€ für Warmmiete ist gelogen; denn diese Wohnungen haben Ofenheizung. Andere heizarten haben sich Genossenschaftsmitglieder selbst einbauen lassen. Die VHW darf für diese Wohnungen Mietkosten ordern, wie sie für Wohnungen mit Ofenheizung üblich sind.

    Es gibt junge Genossenschaftsmitglieder, die für ihre Familienplanung dringend eine größere Wohnung suchen, weil auch sie ebnfalls am Wohnort bleiben wollen.

    Bei allem Verständnis für die sozialen Probleme dieser Mitglieder der „Elisa“, wir erwarten alle, dass die Genossenschaft wirtschaftlich mit den Genosenschaftanteilen und Mieten umgeht. Ich kenne die Berechnungen dieses Architekten nicht, aber wenn ich mir die Kostenvorschläge für die Elbphilharmonie anschaue und wie die sich nach oben geschraubt haben, so wird auch der Kosten vergesen haben. ;-)

    Fragen Sie mal nach, wie viele von denen, die chon ausgezogen sind, wieder zurückziehen wollen.

  • F
    FLUWOG-Effekt

    Offensichtlich regieren immer mehr Vorstände der Wohnungsbaugenossenschaften - wie bei der Hamburger FLUWOG - nach Gutsherrenart!

    Dort ist der Vorstand bereits dazu übergegangen, kritische Mitglieder mit Sondermieterhöhungen zu überziehen.