piwik no script img

Abmahnungen gegen PornoguckerKölner Staatswanwaltschaft ermittelt

Neue Verwirrung ums Redtube-Pornostreaming: Nun prüft die Staatsanwaltschaft, ob falsche eidesstattliche Versicherungen abgegeben wurden.

Rechtsanwalt Christian Solmecke rechnet nicht mit einer weiteren Abmahnwelle. Bild: dpa

KÖLN/BERLIN dpa/taz | Nach der Abmahnwelle gegen Zehntausende Nutzer von Pornoseiten im Netz hat die Staatsanwaltschaft Köln ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Es richte sich gegen Unbekannt, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer am Donnerstag in Köln. Es gehe darum, ob jemand gegenüber dem Landgericht Köln falsche eidesstattliche Versicherungen abgegeben habe, um an Nutzerdaten heranzukommen.

Bremer stellte auf Anfrage klar, dass sich die Ermittlungen nicht gegen die Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen richteten, die die Abmahnungen verschickt habe. Dies habe die Staatsanwaltschaft auch nie behauptet.

Die Abmahnungen sind in mehreren Punkten umstritten. Zum einen bezweifeln Experten, dass das Abrufen von Video-Streams überhaupt gegen das Urheberrecht verstößt. Außerdem sei die Webseite nicht eindeutig als illegal zu erkennen. Zum anderen geht es um die Frage, ob das Landgericht Köln bei der Herausgabe der Anschlussdaten hinters Licht geführt wurde. Die Anträge hätten nicht deutlich gemacht, dass es um Internet-Streaming und nicht um illegale Tauschbörsen gehe, sagen Anwälte, die abgemahnte Anwender vertreten.

Laut der Rheinischen Post geht der Kölner Fachanwalt Christian Solmecke von einem Betrug an den Usern aus und geht mit seiner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke in die Offensive. Er betreut rund 600 Betroffene, die in den vergangenen Tagen ein Abmahnschreiben der Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen erhalten haben.

Von der Abmahnungswelle sind in Deutschland mehrere zehntausend Internetnutzer betroffen. Sie waren belangt worden, weil sie angeblich urheberrechtlich geschützte Sexfilme auf der amerikanischen Website Redtube.com abgerufen hatten. Die Regensburger Anwaltskanzlei forderte sie auf, 250 Euro zu bezahlen und schriftlich zu versichern, das Vergehen nicht noch einmal zu begehen.

„Kein Urheberrechtsverstoß“

Nach Auffassung des Medienrechtsexperten Gerald Spindler handelt es sich im Fall der Sex-Videos nicht um eine Urheberrechtsverletzung durch die Nutzer. Anders als beim Download oder dem File-Sharing werden beim Streaming für die flüssige Wiedergabe teils temporär Daten zwischengespeichert. Es komme aber darauf an, „was der Durchschnittsnutzer dauerhaft an Kopie herausziehen kann“, sagte Spindler, Medienrechtsprofessor in Göttingen, dem Blog „iRights“.

Es hänge davon ab, wie technisch man den Paragraf 44a des deutschen Urheberrechtsgesetzes verstehe, sagte Spindler. Wenn der normale Nutzer nicht in der Lage sei, die temporär gefertigten Kopien weiter zu verwenden, liege seines Erachtens kein Urheberrechtsverstoß vor. „Es bedürfte lediglich eines klärenden Urteils, wenn solche Rechtsunsicherheiten erzeugt werden“, sagte Spindler. Betroffene Verbraucher haben nach Einschätzung Spindlers gute Chancen, sich gegen die Abmahnung zur Wehr zu setzen, da „keinerlei Verletzungshandlung vorliegt“.

Rechtsanwalt Christian Solmecke erklärt auf der Kanzleiwebseite, dass er nach wie vor weder dazu rät die Unterlassungserklärung zu unterschreiben, noch die geforderten 250 Euro zu zahlen. Allerdings sei es auch nicht ratsam die Abmahnungen einfach wegzuwerfen.

Außerdem rechne er weder mit einer weiteren Abmahnwelle, noch mit einem Weiterverkauf der Forderungen an Inkassobüros rechne: „Nachdem sich nun die Staatsanwaltschaft eingeschaltet hat und die Medien ausführlich über die vermutlich rechtswidrige Ermittlung der IP Adressen berichten, gehe ich davon aus, dass Herr Urmann erstmal das Ergebnis der Ermittlungen abwartet. Schließlich hat auch Redtube offenbar angekündigt gegen die Verantwortlichen der Abmahnungen vorzugehen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • M
    mike

    etzt tut man auf Gerechtigkeit, um so zu tun, als würde man was tun, damit alles wie gehabt bleibt.

     

    Unbeachtet bleiben die Tausende und Abertausende Einzelfälle, bei denen das Gericht in Köln ungeprüft die IPs rausgegeben hat, wohlwissend, dass einzelne Menschen nicht die Möglichkeiten haben - weder technische noch finanzielle -, um gegen eine legalisierte Abzocke vorzugehen.

     

    Wem wundert's, wenn das Justizsystem noch nicht mal der Lage ist, so was wie Inkassodienste ernsthaft an die Leine zu nehmen.

     

    Ganz im Gegenteil. Man hat beschlossen, dass Forderungen unter 600,00 Euro im Schnellverfahren entschieden werden können - ohne die Möglichkeit des Widerspruches.

     

    Man tut halt nur so, als würde man was im Sinne der Gerechtigkeit tun.

     

    Es ist kein Geheimnis, dass man auch Fälle untersuchen/verhandeln kann, damit die nie wieder untersucht/verhandelt wird.

  • R
    Rolandmeyn

    Lebt diese Gesellschaft denn nur noch von Lug und Trug? Es ist ja nicht mehr zum aushalten, was in diesem Land alles möglich ist! Da wird der unbescholtene Bürger an den Pranger gestellt und unsere Staatsdiener schauen unbeteiligt diesem treiben zu.

  • E
    emil

    das ist schon witzig, wie sich das geld der userInnen zwischen den guten und bösen anwältInnen aufteilt. entweder die abmahnung bezahlen oder juristisch dagegen vorgehen und eben dafür bezahlen. so oder so, es scheint ein geschäft.

  • S
    Sündikus

    RA Solmecke: "... vor weder dazu rät die Unterlassungserklärung zu unterschreiben, noch die geforderten 250 Euro zu zahlen. Allerdings sei es auch nicht ratsam die Abmahnungen einfach wegzuwerfen."

     

    Der Rechtsanwalt des "Guten" sucht ganz klar Mandanten, deswegen ist auch sein Rat sehr kritisch zu sehen. Bei diesem Spiel gewinnen immer Juristen: der angreifende Abmahnwalt ebenso wie der Verteidiger. Reich wird der eine ebenso wie der andere.

     

    Warum man die Abmahnung nicht einfach ignisieren sollte, wird nicht schlüssig.

    • G
      gast
      @Sündikus:

      ermittelt gegen Unbekannt wegen "falscher eidesstattlicher Versicherungen", wie muss man das jetzt verstehen, da gibt jemand eine eidesstattliche Versicherung ab aber es nicht bekannt wer die Person ist?

    • @Sündikus:

      Ich meine irgendwo gelesen zu haben, daß in dem Fall, daß man nicht reagiert, es zu einer einstweiligen Verfügung kommen könnte. Das ist natürlich auch wieder nur ein therotischer Fall, aber gerade vor einer knappen Stunde mußte ich nach einem Gespräch mit einem Kollegen, der einen Prozess verloren hatte, feststellen, daß bei deutschen Gerichten anscheinend hauptsächlich Vollidioten arbeiten.

       

      „Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, dass die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man diese Spitzbuben schon von weitem erkennen und sich vor ihnen hüten kann.“ (König Friedrich Wilhelm I. von Preußen)