: Abgrundtiefes Misstrauen
Streit über Studiengebühren spitzt sich zu: Uni-Chef wirft Wissenschaftsenator vor, „Danaer-Geschenk“ zu offerieren. „Volles Verständnis“ für studentischen Protest
Einen Tag, nachdem eine studentische Vollversammlung Warnstreik und Protestwochen gegen Studiengebühren beschlossen hat, verschärfte auch Uni-Chef Jürgen Lüthje gestern seine Kritik an den Plänen des CDU-Senats. „Wir müssen zusammen mit den Studierenden gegenüber der Politik offensiv werden“, so Lüthje, „damit diese endlich ihre Hausaufgaben macht.“ Dazu zählten Finanzierungsangebote und die Garantie, dass die Gebühren den Unis zusätzlich zustehen. Lüthje erneuerte seine Kritik an der Freiwilligkeit des Mauteinzugs. Wissenschaftssenator Jörg Dräger werfe einen „Sprengsatz in die Uni“.
Das Präsidium begrüßt das Bezahlstudium. Indem der parteilose Senator es aber den Lehrstätten überlässt, ob sie kassieren, mache er ein „Danaer-Geschenk“. Im Akademischen Senat gebe es bisher keine Mehrheit für die Maut: „Wir sehen sehr schwierige Auseinandersetzungen in der Hochschule auf uns zukommen“, so Lüthje. Verzichte die Uni, würde ihr aber jede finanzielle Forderung mit der Begründung verweigert, sie könne ja Abgaben erheben. Dräger ginge es nicht um Autonomie der Hochschulen, „sondern allein darum, Verantwortung auf sie abzuwälzen“, attackierte Lüthje den Senator und forderte „klare Rahmenbedingungen“.
Neben der Gebührenvorschrift für alle Hochschulen gehöre dazu auch ein Angebot von Darlehen, Stipendien und Sparsystemen. Dass die Politik kein Konzept für die soziale Abfederung habe, „ist unverantwortlich“, meinte Lüthje. Das vom Senator gepriesene Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) reiche nicht aus, da ein Drittel der Studierenden auf Stipendien angewiesen sei.
Zudem habe der KfW-Kredit einen „riesigen Pferdefuß“, weil der Zins kapitalmarktabhängig ist. Daraus ergebe sich eine „unkalkulierbare Belastung“ und der Effekt, noch mehr arbeiten zu müssen. Weil der Senat zudem keine „langfristig verlässliche“ Garantie abgebe, dass der Uni die Gebühren zusätzlich zustehen, fürchteten auch die meisten Professoren, dass „die Politik nur abkassieren will und hegen ihr gegenüber abgrundtiefes Misstrauen“. Für „intelligente und spektakuläre Prostestaktionen“ der Studierenden habe er darum „volles Verständnis“, sagte Lüthje – nicht aber für Uni-Besetzungen.
Dem Vorschlag des Präsidiums, die Einnahmen durch Gebühren gemeinsam zu verwalten, erteilte der Uni-AStA gestern eine Absage. „Das Angebot ist ein geschickter Schachzug“, so Sprecher Sven Wirth. Nachdem Lüthje die „unangenehme“ Aufgabe der Gebührenerhebung vom Senator „zugespielt“ wurde, versuche er das „heiße Eisen“ an den AStA weiterzureichen. Dieser aber bleibe weiterhin bei seiner strikten Ablehnung des Bezahlstudiums, weil es „zwangsläufig zu sozialer Selektion führt“.Eva Weikert