Abgeordnetenhauswahl in Berlin 2011: Die Künast-Frage
Die Anzeichen verdichten sich, dass Renate Künast im kommenden Jahr als grüne Spitzenkandidatin für die Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses antreten wird.
BERLIN taz | Die Berliner Grünen hatten die Nase schon immer vorn. 1981 gelang ihnen als erste der Einzug in ein Landesparlament. Und dreißig Jahre später könnte die Ökopartei erstmals in Deutschland eine grüne Regierungschefin stellen. Wenn, ja wenn die Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion Renate Künast als Spitzenkandidatin für die Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses im Herbst 2011 antritt.
Die Umfragen jedenfalls stimmen. Laut der jüngsten Forsa-Erhebung sind die Grünen mit 25 Prozent der SPD des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit mit 27 Prozent knapp auf den Fersen. Die CDU kommt der Umfrage zufolge auf 19 Prozent, die Linke auf 17 Prozent, die FDP würde mit 3 Prozent nicht mehr im Abgeordnetenhaus vertreten sein. Mit Künast als Spitzenkandidatin, so Forsa, würden sich die Grünen in Berlin ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD liefern.
Seit Ende 2009 verdichten sich in der Hauptstadt die Gerüchte um eine mögliche Spitzenkandidatur der Ex-Verbraucherschutzministerin. Dass selbst die CDU einen Wahlsieg der Grünen nicht ausschließt, zeigte ein Interview von Landes- und Fraktionschef Frank Henkel. Der taz sagte Henkel, es gebe ungeschriebene Gesetze in der Politik: "Und eines davon lautet, dass die stärkste politische Kraft den Regierungschef stellt."
Künast selbst will sich offiziell erst nach der Sommerpause zu ihrer politischen Zukunft erklären. Am Wochenende meldete nun Bild am Sonntag, dass Künast gegenüber ihrer Fraktion und Mitgliedern der Grünen in Berlin ihre Bereitschaft zu der Spitzenkandidatur erklärt habe. Auch ein Wahlkampfteam habe sie bereits zusammengestellt. "Das ist völlig aus der Luft gegriffen", kommentierte der Sprecher der Grünenfraktion im Bundestag, Michael Schroeren, den Bericht. Auch der Fraktionsschef der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Volker Ratzmann, dementierte. "Wenn sich Renate Künast erklärt hätte, wäre ich einer der ersten, der es erfahren hätte", sagte Ratzmann der taz.
Tatsächlich gehen aber auch die Berliner Grünen davon aus, dass die "K-Frage" längst entschieden ist. "Die Kandidatur Künasts ist abgemachte Sache", sagt ein Spitzengründer der taz. Die Hinhaltestrategie erklärte er damit, dass Künast auf diese Weise ständig in den Medien präsent sei. "Würde sie sich zu früh erklären, gäbe es ein paar Interviews, und dann würde wieder Stille einkehren", so der Grüne. Auch die Hauptstadttermine legen nahe, dass sich Künast bereits auf Wahlkampf einstimmt. Im April übernahm sie im Berliner Zoo medienwirksam die Patenschaft für ein Schwarzbärjunges.
Berlins Regierungschef Klaus Wowereit jedenfalls hat die Herausforderung breits angenommen. Auf dem Landesparteitag der SPD forderte er am Wochenende, Künast müsse sich klar zu ihrer politischen Zukunft zu äußern. Wowereit wörtlich: Künast müsse "mit vollem Herzen" in die Landespolitik kommen, und sie dürfe nicht "morgen wieder weg sein". Im Klartext: Sollte die 55-Jährige nicht Regierungschefin werden, müsste sie entweder auf der Oppositionsbank Platz nehmen oder als Juniorchefin mit der SPD regieren. Keine rosige Aussicht für eine, die es vor knapp zehn Jahren in die Bundespolitik zog und dort zu den beliebtesten Grünen gehört.
Sollte Künast in letzter Minute absagen, hätten aber die Berliner Grünen ein Problem. Zwar betont Fraktionschef Ratzmann, dass der Künast-Bonus in den Umfragen "noch nicht eingepreist" sei. Tatsächlich aber hängt der Höhenflug der Grünen in den Umfragen mit der K-Frage zusammen. Müssten die Grünen auf ihr landespolitisches Personal zurückgreifen, könnte sich Wowereit getrost zurücklehnen.
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