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Abgeordnetenhauswahl 2026Graf will für ganz Berlin da sein

Die Grünen stellen ihren Programmentwurf für die Wahl am 20. September vor. Für den möglichen Autofrei-Volksentscheid legen sie sich darin nicht fest.

Bettina Jarasch und Werner Graf sind beide Spitzenkandidaten. Aber nur Graf würde bei einem Wahlsieg ins Rote Rathaus einziehen Foto: Sören Stache/dpa

Aus Berlin

Stefan Alberti

„Politik ändern. Berlin bleiben“ steht auf dem Wahlprogramm der Berliner Grünen, das ausgedruckt 150 Seiten lang ist, 14 Seiten länger als der Koalitionsvertrag der aktuellen schwarz-roten Landesregierung. Werner Graf, der Mann, der für die Partei den CDUler Kai Wegner im Roten Rathaus ablösen soll, stellt es an diesem Mittwoch mit seiner Co-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch vor. Genauer gesagt: den Entwurf des Programm – die Endfassung wollen die Grünen bei einem Parteitag Mitte Februar beschließen.

Von einer nicht sonderlich belebten Adresse an der Ecke zur Axel-Springer-Straße ist die Partei in ihr alternatives Herzland gezogen, unweit des Oranienplatzes in Kreuzberg. Wobei das mit dem Herzland bei der Bundestagswahl im Februar ja plötzlich anders war: Da verloren sie den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg, das bundesweit erste grüne Direktmandat, 2002 erstmals gewonnen vom legendären Christian Ströbele, an die Linkspartei.

Ganz so alternativ, wie es die Adresse in der Oranienstraße nahe legt, ist es nicht im neuen Zuhause. Eine Haustür weiter sieht es zwar noch eher pittoresk aus, aber zu den Grünen geht es durch einen modernen Hauseingang in ein edel wirkendes Treppenhaus mit Wänden in warmem Orange ohne jede Kritzelei oder Schmiererei.

Hier also stellt im 3. Stock vor allem Werner Graf, noch ganz im Rausch des 6:1-Pokalerfolgs seines Lieblingsklubs Hertha am Vorabend, das Programm und seine Vision für Berlin vor. Und wiederholt eingangs, was er schon bei seiner Wahl zum Spitzenkandidaten eineinhalb Wochen vorher gesagt hat: „Ich will Regierender Bürgermeister werden.“

In Umfragen gerade nur auf Platz 3 oder 4

Die jüngsten beiden Meinungsumfragen geben das allerdings nicht her. Sie sehen die Grünen unter den fünf derzeit im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien nur auf Platz 3 und 4, gleichauf oder hinter der AfD, mit Abstand zu CDU und Linkspartei auf den führenden Plätzen.

Aber Graf gibt sich zuversichtlich, er sieht seine Partei nicht in der Rolle eines bloßen Juniorpartners für CDU oder Linke. Was er durchaus klar sagt: Mit SPD und Linkspartei gebe es eine deutlich größere Schnittmenge als mit der CDU.

Graf sieht sich als Angebot für die ganze Stadt – „ich kriege Hertha und Kleingarten genauso zusammen wie CSD und Klubs.“ Entscheidend soll sein: Was ist das Beste für Berlin? Das wiederum – „Das Beste für Berlin“ – ist der Titel des eingangs erwähnten aktuellen Koalitionsvertrags von CDU und SPD.

Dabei gibt sich der Spitzenkandidat äußerst bodenständig: Während jüngst beim Grünen-Bundesparteitag Delegierte über Homöopathie diskutierten, wünscht Graf sich Auftritte von Megastars in Berlin, vermisst Adele und Taylor Swift, die lieber in München und Gelsenkirchen sangen. Und bedauert, dass es an Silvester keine ZDF-Show am Brandenburger Tor mehr geben soll.

Keine Empfehlung zum möglichen Volksentscheid

Im Wahlprogramm legt sich die Partei naturgemäß in vielen Punkten fest, in einem aber ausdrücklich nicht: beim möglicherweise parallel zur Wahl am 20. September anstehenden Volksentscheid über eine autofreie Innenstadt. Was dazu auf Seite 46 formuliert ist, drückt Grafs Co-Spitzenkandidatin Jarasch so aus: „Das ist eine Entscheidung, die die Berliner treffen müssen.“ Eine Empfehlung gibt das Programm dazu nicht.

Jarasch selbst hatte in ihrer Zeit als Verkehrssenatorin von Ende 2021 bis Frühjahr 2023 nicht das Ziel, aber den vorgelegten Gesetzesentwurf als Weg dorthin ablehnt. Sie mag am Mittwoch auch auf Nachfrage nicht sagen, ob sie persönlich bei einem Autofrei-Volksentscheid mit Ja oder Nein stimmen würde.

Ganz entschieden ist Jarasch hingegen bei einem anderen Thema, das als wichtig für Koalitionsüberlegungen mit der Linkspartei gilt: „Wir dulden keinen Antisemitismus, auch keinen israelbezogenen Antisemitismus“, sagt sie, und das soll auch gelten, wenn er von linker Seite kommt. „Wir erwarten das auch von allen, mit denen wir koalieren.“

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