Abgeordnetenhauswahl 2026: Stefan Gelbhaar will zurück ins Parlament
Der durch eine Intrige zu Fall gebrachte grüne Ex-Bundestagsabgeordnete will bei der Berlin-Wahl kandidieren. Die Entscheidung fällt am 8. November.

taz | Man lade Interessierte ein, „die sich eine Kandidatur zur Abgeordnetenhaus-Wahl im kommenden Jahr vorstellen können und sich eventuell im Wahlkreis Pankow 6 um Nominierung bewerben wollen“, stand auf der Einladung der Grünen-Stadtteilgruppen Prenzlauer Berg und Nordwest für 19.30 Uhr an diesem Mittwochabend. Wenige Stunden vorher hatte einer sein Interesse daran schon öffentlich gemacht: Stefan Gelbhaar. Der 49-jährige frühere Bundestagsabgeordnete will bei der Berlin-Wahl 2026 wieder Parlamentarier werden. Eine parteiinterne Intrige zu Jahresbeginn hatte ihn um die Chance gebracht, seinen Sitz im Bundestag zu verteidigen.
Er habe am Nachmittag seine Bewerbung ins dafür vorgesehene Onlineportal der Grünen hochgeladen, gab Gelbhaar gegenüber der taz bekannt. Die hatte schon zu Beginn der vergangenen Woche über mögliche Ambitionen Gelbhaars zu einem Comeback als Parlamentarier berichtet, die der Grünen-Politiker damals aber nicht bestätigen mochte.
Gelbhaar hatte Ende 2024 unmittelbar vor dem darüber entscheidenden Landesparteitag seine Bewerbung für die Grünen-Landesliste zur Bundestagswahl zurückgezogen. Anfang Januar 2025 ersetzte ihn die Partei in seinem Wahlkreis Pankow auch als Direktkandidaten. Hintergrund waren Vorwürfe der sexuellen Belästigung, die Gelbhaar stets bestritt. Sein Sieg in Pankow bei der Bundestagswahl 2021 war der erste der Grünen überhaupt in einem rein ostdeutschen Wahlkreis gewesen.
Kaum zwei Wochen nach der Abwahl als Kandidat wurde klar: Gelbhaar war Opfer einer Intrige von Parteimitgliedern geworden. Da war es aber zu spät, um ihn wieder zum Kandidaten für die Bundestagswahl am 23. Februar zu machen. Bei der gewann dann Julia Schneider für die Grünen den Wahlkreis. Die strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen Gelbhaar brachen in sich zusammen. Weiter im Raum standen allerdings Vorwürfe problematischen Verhaltens unterhalb dieser Grenze.
Bewerbung im erfolgreichsten Grünen-Wahlkreis
Mitglied des Abgeordnetenhauses war Gelbhaar schon von 2011 bis 2017, bevor er – damals noch über die Landesliste der Grünen und nicht als Wahlkreisgewinner – in den Bundestag einzog. In beiden Parlamenten beschäftigte er sich vor allem mit Verkehrspolitik.
Der Pankower Wahlkreis 6 in Prenzlauer Berg, in dem er sich nun bewirbt, ist die Grünen-Hochburg schlechthin: Andreas Otto gewann ihn für die Partei erstmals 2006 und seither durchweg, 2023 mit dem stadtweit besten grünen Erststimmenergebnis, 41,6 Prozent. Otto stand während der Vorwürfe gegen Gelbhaar stets zu ihm. Schon bei jenem Parteitag Ende 2024, als Gelbhaar zurückzog, sagte er der taz: „Für mich gilt erst mal die Unschuldsvermutung.“
Otto hatte, nachdem sich die strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen Gelbhaar erledigt hatten, mit anderen Mitgliedern vom Pankower Kreisverband eine Entschuldigung gefordert. Die blieb in klarer Form aus. In einem bei einem Mitgliedertreffen Ende Januar von einer großen Mehrheit getragenen Text hieß es allerdings, man hoffe auf schnelle Klärung, „sodass gegebenenfalls eine Rehabilitierung Stefan Gelbhaars möglich gemacht werden kann“.
Schon im September kündigte Otto gegenüber der taz an, 2026 nicht erneut zu kandidieren. Den Wahlkreis quasi per Empfehlung an seine Unterstützer an Gelbhaar weiterzugeben, ist allerdings auch ihm als grünem Erststimmen-König nicht möglich: Über seine Nachfolge entscheidet nicht das Votum der Stadtteilgruppen im Wahlkreis 6, sondern – wie über alle 9 Wahlkreiskandidaturen im Bezirk – eine Mitgliederversammlung, die für alle rund 2.500 Pankower Grünen offen ist.
Mögliche Gegenkandidatur bei Nominierung am 8. November
Diese Versammlung steht am 8. November an. Nach taz-Informationen will sich auch eine Frau um die Kandidatur im bisherigen Otto-Wahlkreis bewerben. Offenbar aber glaubt Gelbhaar, genug Rückhalt zu haben. Als die Kandidatur noch ein bloße – wenn auch naheliegende – Möglichkeit war, hieß es, er werde nur bei einer sicheren Siegchance antreten, um sich ein erneutes Negativ-Erlebnis durch die Partei zu ersparen.
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