Abgeordnetenhauswahl 2016: Berlin ist nicht Mecklenburg
Die AfD sahnt zwar auch in der Hauptstadt ab, allerdings nicht so kräftig wie zuletzt. Am stärksten ist sie in der Peripherie der Stadt.
„Von heute geht ein klares Signal aus“, sagte die Berliner Landeschefin Beatrix von Storch. Berlin sei eine linke Stadt. In so einem Umfeld ein zweistelliges Ergebnis zu erzielen sei bereits ein Erfolg, sagte sie. Der AfD-Spitzenkandidat Georg Pazderski jubelte: „Die Große Koalition ist abgewählt worden, zwar noch nicht im Bund, aber das kommt im nächsten Jahr.“
Draußen vor der AfD-Wahlparty in einem Restaurant im gutbürgerlichen Charlottenburg hat die Polizei die Straße abgeriegelt, an den Gittern stehen GegendemonstrantInnen. Als die erste Hochrechnung verkündet wird, quittieren die AfDler das Ergebnis der CDU mit Gelächter, bei den anderen Parteien bleiben sie still. Das eigene Ergebnis wird lautstark beklatscht, auf den Gesichtern ist Zufriedenheit zu sehen.
Dabei hatte es eine ganze Weile so ausgesehen, als würde der Kelch an Berlin vorübergehen: Noch im letzten Herbst dümpelte die Berliner AfD in Umfragen unter der 5-Prozent-Grenze, den damaligen Landesvorsitzenden Günter Brinker, dem konservativen Flügel angehörend, kannte in der Stadt so gut wie niemand. Das änderte sich schlagartig im Januar: Auf einem Parteitag wurde der alte Chef abgewählt, stattdessen übernahmen der Exoffizier Georg Pazderski, einst Geschäftsführer in der Bundespartei, und die erzkonservative EU-Abgeordnete Beatrix von Storch. Angehörige des konservativen Flügels sprachen hinterher von einem „Putsch“.
Empfohlener externer Inhalt
Das Personal, das jetzt ins Abgeordnetenhaus einzieht, zeigt exakt das Spektrum der aktuellen AfD: Pazderski, der auf Parteitagen mit markigen Sprüchen und zackigen Gesten herumdonnert, in der Konfrontation mit anderen Politikern aber auch wie ein etwas unbeholfener Opa wirken kann. Ronald Gläser, jahrelang Redakteur der neurechten Wochenzeitung Junge Freiheit, vor einem Jahr noch weit am rechten Rand der Berliner AfD, seit Januar ihr Sprecher. Viele ehemalige CDU- und FDPler, auf den hinteren Plätzen aber auch Burschenschaftler und Kandidaten, denen Verbindungen zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“ nachgesagt werden.
Mit ihnen wird sich Berlin nun herumschlagen müssen und wohl auch damit, dass die AfD in mehreren Bezirken Stadträte stellen kann. Stark ist die Partei vor allem in den Randbezirken: In Marzahn-Hellersdorf, aber auch in Reinickendorf oder Spandau, wo sich die ReihenhausbewohnerInnen vom Wahlkampf der Partei, der das Thema innere Sicherheit in den Fokus rückte, angesprochen gefühlt haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär
Trumps Wiederwahl
1933 lässt grüßen