Abgeordnetenhaus: Wahlkampf geht immer

Im Parlament findet die SPD selbst beim wenig strittigen Thema von in der Krise drohender Wohnungslosigkeit einen Weg, gegen die Grünen zu sticheln.

Das Bild zeigt Franziska Giffey (SPD) und Bettina Jarasch (Grüne) mit einem vergrößerten 29-Euro-Ticket.

Da waren es noch zwei – doch jetzt will die SPD das 29-Euro-Ticket allein erfunden haben

BERLIN taz | Da kann die grüne Vize-Regierungschefin Bettina Jarasch im Abgeordnetenhaus nur noch lächelnd den Kopf schütteln. Gerade hat es ein Redner der SPD geschafft, das 29-Euro-Ticket, von Jarasch entscheidend mitent­wickelt, als „von der SPD durchgesetzt“ allein seiner Partei zuzuordnen. Wenig später wird er die SPD auch noch für die Mobilitätswende loben und sagen, dafür brauche man „keine City-Maut und keine Fahrverbote“ – alte Anliegen der Grünen.

Das Urteil zur Wahlwiederholung steht erst in vier Wochen an, doch Wahlkampf und gegenseitige Abgrenzung sind in der rot-grün-roten Koalition längst im Gange. Das Skurrile: In der Debatte ging es gar nicht um Verkehr, sondern um drohende Wohnungslosigkeit wegen der ausufernden Energiepreise.

Am 16. November will das Verfassungsgericht offiziell verkünden, wovon seit seiner mündlichen Verhandlung Ende September fest auszugehen ist: Dass es wegen der Wahlpannen vor einem Jahr zu einer Wahlwiederholung kommt, mutmaßlich am 12. Februar 2023. Seit jener Verhandlung geloben die Koalitionspartner einen fairen Umgang miteinander. Tenor: Wahlkampfgetöse dürfe nicht das gemeinsame Anliegen behindern, Berlin und seine Menschen sicher durch einen krisenbeladenen Winter zu bringen.

Tatsächlich aber deutet wenig darauf hin, dass sich die Parteien – und auch die aktuellen Regierungspartner – in den kommenden Monaten weniger als vor normalen Wahlen beharken werden. Das geht nicht allein von der SPD aus. Noch am Nachmittag der Gerichtsverhandlung stellte die Grünen-Landesspitze in einer Presseerklärung fest: „Berlin hat eine Führung verdient, die diese Stadt fit für die Zukunft macht.“ Was kaum anders zu verstehen war als: eben nicht die bisherige Führung mit SPD-Parteibuch.

Wer in einer der rund 350.000 landeseigenen Wohnungen lebt, soll bis Ende 2023 keine Mieterhöhung fürchten müssen. Darauf hat sich laut Bausenator Andreas Geisel (SPD) der Senat geeinigt. Der hatte schon im September beschlossen, dass keinem Mieter dieser Wohnungen wegen unbezahlter Energiekosten gekündigt wird. Koalitionspolitiker riefen im Landesparlament private Vermieter dazu auf, ebenso zu handeln. Die FDP hingegen kritisierte, von einem Mietenstopp würden auch jene profitieren, „die es gar nicht brauchen.“ Der Wohnungsverband BBU nannte das Moratorium wegen der ohnehin schon günstigen landeseigenen Unternehmen „wirtschaftlich brisant.“

Die Linke wiederum setzt in der Parlamentssitzung ihre Fehde mit SPD-Innensenatorin Iris Spranger fort. Die hatte sich am Montag darüber empört, dass die Linke der Berliner Polizei ein „Riesenrassismusproblem“ attestierte. Erneut warnt Spranger vor Verallgemeinerungen, nachdem eine neue Chatgruppe mit rassistischen Inhalten bekannt geworden ist.

Gut drei Wochen lang soll nun solche koalitionsinterne Abgrenzung und Profilierung in Ausschüssen und Plenum nicht mehr vorkommen: So lange ist wegen der Herbstferien Sitzungspause im Parlament.

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