Abgeordnetenhaus: Henkel bleibt vorbeugend ruhig
Bei der Debatte über das Polizeigesetz mit längerer Vorbeugehaft verweigert der CDU-Innensenator erneut seine Beteiligung. Grüne beklagen „Henkelsche Leere“
Der Mann sitzt schier ungerührt an seinem Platz, liest, schreibt, blättert. Kaum einmal schaut Frank Henkel hoch, als keine drei Meter von ihm weg der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux zum Großangriff auf ihn startet. Von Leere bei dem CDU-Mann redet der Grüne, von einem Innensenator, der sich bei einem innenpolitischen Großthema wegduckt: „Nicht selbst in die Bütt zu gehen, das zeugt von Feigheit.“ Konkret geht es am Donnerstagmittag im Abgeordnetenhaus um Änderungen im Polizeigesetz mit der umstrittenen längeren Vorbeugehaft, die Rot-Schwarz abnickt. Doch für Lux und andere Oppositionsredner ist das auch Anlass, Henkel generell zu attackieren.
Mehrfach schon war die Gesetzesänderung Thema, seit der Änderungsentwurf im August ins Parlament kam. Bei der Vorbeugehaft, offiziell „Unterbindungsgewahrsam“, geht es darum, dass die Polizei mögliche Gewalttäter vor Großereignissen wie dem 1. Mai aus dem Verkehr ziehen kann. Diese Mittel auszuweiten, wie von CDU und SPD 2011 im Koalitionsvertrag vereinbart, ist auch in der Polizei nicht Konsens. Grund genug eigentlich für einen Senator, selbst die Änderungen zu begründen – was aber nicht geschah. Als der Innenausschuss jüngst dazu debattierte, war Henkel nicht mal anwesend, sein Staatssekretär musste ran. Und auch an diesem Donnerstag ist Henkel nicht als Redner angekündigt. Lux versucht so einiges, ihn doch zu einer Reaktion zu provozieren. „Eine Schrankwand reagiert schneller“, hält er Henkel vor. Früher, meint der 34-jährige Grüne im Duktus eines Altvorderen, habe man sich mit Konservativen noch fetzen können, heute sei nur noch „Henkelsche Leere“. Doch der CDU-Mann schreibt und liest weiter in seinen Akten.
Das neue Polizeigesetz zu verteidigen, überlässt Henkel den innenpolitischen Sprechern seiner Koalitionsfraktionen. CDU-Mann Robbin Juhnke mag die Aufregung der Opposition über vermeintliche Grundrechtsverletzungen gar nicht verstehen, die sich in einem Änderungsantrag niederschlagen: Alles, so Juhnkes Tenor, sei im Einklang mit der Verfassung und im Rahmen dessen, was in anderen Bundesländern Standard ist. Die Änderungsforderungen von Grünen, Linkspartei und Piraten sind für ihn nur Ausdruck von „Totalverweigerung“, Verantwortung für die Stadt zu übernehmen.
Sein SPD-Kollege Frank Zimmermann, ohnehin kein Mann des groben Worts, drückt es netter aus, ist aber inhaltlich auf gleicher Linie: „Diese Vorlage bedeutet keinen Abbau von Bürgerrechten.“ Die längere Vorbeugehaft ist für den SPDler kein Willkürakt, denn egal ob bei zwei oder bei vier Tagen– in jedem Fall brauche es einen richterlichen Beschluss. „Die Polizei kann hier nicht einfach Leute festsetzen wie sie will“, sagt Zimmermann. Und die ebenfalls vorgesehene Regelung zum Scannen von Kfz-Kennzeichen sei kein neues Instrument, sondern eine festere Rechtsgrundlage dafür.
Das mit den Grundrechten sieht nicht nur Lux, sondern auch Hakan Tas von der Linkspartei ganz anders. Der wundert sich über die SPD, von der er anderes erwartet haben will. „In Ihrer Partei fällen Sie wohlfeile Beschlüsse, aber hier machen Sie CDU-Politik.“ Grundrechtseingriff und Nutzen der längeren Vorbeugehaft stehen für ihn in keinem Verhältnis zueinander, das die Änderung rechtfertigen würde. Tas fragt sich, wofür denn überhaupt bis zu vier Tage Haft nötig seien. „Welcher 1. Mai dauert vier Tage?“, will er wissen,welches Fußballspiel tue das, welche sonstige Großveranstaltung
Doch auch auf diese Frage gibt es keine Antwort vom Innensenator, der sich stattdessen einen weiteren Aktenordner greift. In Kraft wird das Gesetz beim nächsten 1. Mai in jedem Fall sein – es gilt ab 11. April.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!