Abgelehnt von der Muckibude: Training unter Weißen
Niguse Alema berichtet, wie ein Fitnessstudio ihn abzuwimmeln versuchte. Aus rassistischen Gründen, vermutet er. Das Personal reagiert überrascht.
Für Niguse Alema war es nicht so einfach, einen Vertrag mit dem Fitnessstudio abzuschließen. Möglicherweise liege das an seiner Hautfarbe und seinem nichtdeutschen Namen, vermutet er. Alema hat beim Bremer Joyfitness-Standort in der Föhrenstraße einen Termin für ein Probetraining vereinbart, erzählt er der taz. Als er zur vereinbarten Zeit erschienen sei, habe die Mitarbeiterin versucht, ihn abzuwimmeln.
Zwar habe er sich durchgesetzt und letztlich doch noch am Probetraining teilgenommen, unter der Voraussetzung, dass er seinen Personalausweis hinterlege. Als er dann jedoch einen Vertrag abschließen wollte, habe man ihm gesagt, das Angebot für 14,99 Euro sei nicht mehr verfügbar. Stattdessen würde er monatlich etwa 40 Euro zahlen müssen.
Daraufhin sei eine weiße Freundin von Alema am nächsten Tag zum Joyfitness gegangen. Sie habe ohne Weiteres ein Angebot für 14,99 Euro bekommen.
Mitgliedskarte kam nie an
Alema und die Freundin kehrten gemeinsam zurück, um sich zu beschweren. Dieses Mal konnte Alema den Vertrag mit dem günstigen Angebot unterschreiben. Joyfitness musste ihm bloß noch seine Mitgliedskarte zuschicken, dann könnte er mit dem Training beginnen.
Doch die kam nie an. Auf Alemas Anrufe hin habe es geheißen, zuständige Mitarbeiter_innen seien im Urlaub – oder es verzögere sich alles wegen der Pandemie.
„Mein ungutes Gefühl wurde immer stärker, denn inzwischen hatten sich schon andere Freunde mit heller Hautfarbe und deutsch klingendem Namen erfolgreich angemeldet“, sagt Alema. Er habe auch schriftlich Beschwerde eingereicht, aber keine Antwort erhalten.
Ein Anruf bei Joyfitness kann die Geschichte nicht aufklären. Die Mitarbeiterin, die ans Telefon geht, sagt, sie wisse nichts über den konkreten Fall. „Es ist schon so, dass hier ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger trainieren“, sagt sie. Es gebe auch einen ausländischen Trainer, der gerade Deutsch lerne.
Dass ein Fehler passiert sei, schließe sie nicht aus. „Wir haben hier ein bisschen Chaos seit anderthalb Jahren.“ Wegen Corona sei alles total durcheinander. Sie verweist an die ausgelagerte Verwaltung, an die auch die schriftliche Beschwerde gegangen sein müsste. Die Verwaltung sei allerdings nur mittwochs zu erreichen.
Alema möchte wissen, ob sein Erlebnis ein Einzelfall ist. Er teilt seine Geschichte auf Instagram und entdeckt mehrere Rezensionen, die von diskriminierenden Erfahrungen berichten. Zum Zeitpunkt dieser Recherche ist die überwältigende Mehrheit der 298 Google-Bewertungen positiv. Fünf von den negativsten Rezensionen berichten jedoch von rassistischen Erfahrungen.
Niguse Alema
„Mein Kollege ist Halbtürke und wurde hier vom Personal nicht hereingelassen, weil die meinten, er sähe asozial aus“, schrieb ein User mit deutschem Namen vor drei Tagen. Ihn selbst habe man hingegen problemlos hineingelassen. Auch die Freundin von Alema meldet sich zu Wort: „Rassistischer Laden, schämt euch!!“
Ein Nutzer mit dem Namen Yousef schreibt, Joyfitness habe ihn hingehalten, die Kette suche sich die Kunden und Kundinnen offenbar nach rassistischen Kriterien aus. Eine andere Nutzerin schreibt, ihre Freundin sei aufgrund ihres Kopftuchs abgewiesen worden. Nur die letzten beiden Rezensionen sind älter als eine Woche.
Ein Mitarbeiter, der von seinen Kolleg_innen als Vorgesetzter bezeichnet wird, seinen Namen aber nicht nennen will, erklärt am Telefon: „Wir haben auch Mitglieder, die beim Training ein Kopftuch tragen.“ Man biete auch Sportmodelle an, ähnlich wie eine Badekappe.Was im Fall von Alema schief gelaufen sei, könne er überhaupt nicht verstehen. Er habe nicht erlebt, dass bei der Verwaltung in letzter Zeit öfter Verträge verlorengegangen seien. Dass Alema das Angebot für 14,99 Euro vorenthalten wurde, kann er nicht erklären. Die Angebote würden aber durchaus wechseln.
Er wisse bloß, dass in der Vergangenheit bereits Menschen, die beispielsweise wegen Fehlverhaltens ein Hausverbot bekommen hatten, aus Frust negative und gelogene Rezensionen geschrieben hätten. „Das betrifft aber auch andere Gruppen“, fügt er hinzu, und meint damit wohl Menschen ohne äußerlich migrantische Merkmale. Besonders nachdrücklich lädt er ein, sich vor Ort davon zu überzeugen, wie „multi-kulti“ es bei Joyfitness sei. Am besten bei einem unangemeldeten Probetraining, damit die Situation nicht geplant werden könne.
Alema ist es wichtig, dass die Geschichte öffentlich wird. Er könne zwar auch in ein anderes Fitnessstudio gehen. „Aber Menschen wie ich entwickeln das Gefühl, dass sie nie dazu gehören können“, sagt er. „Ich will, das sich das ändert.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland