Abgasskandal bei Volkswagen: Klagen, Klagen, Klagen
Der VW-Aufsichtsrat fordert weitere personelle Konsequenzen. In den USA und Kanada gibt es bereits 37 Sammelklagen gegen den Autohersteller.
Das Präsidium und der Aufsichtsrat seien „sehr detailliert“ dabei, die Vorgänge aufzuklären, „mit allen Möglichkeiten“, betonte Lies. Am Freitag werde ein Sonderausschuss gegründet, der auch mit externer Beratung die Aufklärung des Skandals vorantreiben solle. Derzeit gebe es „deutlich mehr Fragen als Antworten“. Besonders die Frage, wer die Manipulationen zu verantworten hat und warum, beschäftige den VW-Aufsichtsrat.
Nach dem Rücktritt Winterkorns will der Aufsichtsrat dem Handelsblatt zufolge eine Entscheidung über den geplanten Konzernumbau vertagen. Sein Nachfolger solle die Möglichkeit haben, auf die künftige Struktur Einfluss zu nehmen, berichtete das Handelsblatt unter Berufung auf Konzernkreise. Ursprünglich sollte der 20-köpfige Aufsichtsrat am Freitag über die Neuausrichtung des Unternehmens entscheiden. Die zwölf Marken sollten in vier Markengruppen aufgeteilt werden.
Grüne fordern Prüfung anderer Autobauer
Die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, Bärbel Höhn (Grüne), hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) aufgefordert, auch andere Autohersteller einer genauen Prüfung zu unterziehen. „Im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung muss er auch Modelle von anderen Herstellern prüfen lassen“, sagte Höhn der Saarbrücker Zeitung vom Donnerstag.
Nur durch Zufall habe es Volkswagen als erstes erwischt, sagte Höhn der Zeitung. Die Frage sei nun, ob nicht auch andere Autobauer die Manipulations-Software verwendet hätten, „weil bei fast allen Autos diese erhöhten Schadstoff-Werte festzustellen“ seien. Zugleich sprach die Grünen-Politikerin von einer „Kumpanei von Herstellern und Politik“. So habe die EU vor einigen Jahren auch Deutschland aufgefordert, „die Nutzung der sogenannten Abschaltvorrichtungen durch Autohersteller unter Strafe zu stellen. Nach meiner Kenntnis ist das nicht passiert“, sagte Höhn der Saarbrücker Zeitung.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) äußerte sich in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Donnerstag „fassungslos“ über die Manipulationen bei VW. „Ich fürchte, dass die gesamte Automobilindustrie einen Schaden davon trägt“, sagte Kauder.
Klagewelle gegen VW in den USA und Kanada
Auf den Volkswagen-Konzern rollt nach Medienberichten eine Welle von Sammelklagen in den USA und Kanada zu. Nach Recherchen des NDR und der Süddeutschen Zeitung (Donnerstagausgabe) sind seit vergangenem Freitag 37 solcher Klagen bei US-Gerichten eingereicht worden, zwei weitere in Kanada. Zahlreiche Anwaltskanzleien hätten zudem Aufrufe an VW-Käufer gestartet, sich den Klagen anzuschließen.
Kläger sind den Berichten zufolge zumeist private Autokäufer, in einem Fall auch ein Autohändler. Die Käufer sehen sich in Sachen Umweltfreundlichkeit von VW getäuscht. In den Klageschriften werden dem Konzern Betrug, Vertragsbruch und weitere Gesetzesverstöße vorgeworfen. „Der Grund, warum sie das gemacht haben, ist: Die Leistung des Autos verringert sich, wenn die Abgasreinigung arbeitet“, sagte der Anwalt Steve Berman aus Seattle im Bundesstaat Washington in einem Video, mit dem er um weitere Mandanten wirbt. Dies aber sei nicht gewollt gewesen, „weil niemand Autos mit einer geringeren Leistung kaufen würde“.
Berman hatte den Angaben zufolge vergangenen Freitag für einen VW-Fahrer aus Kalifornien die erste Klage dieser Art eingereicht. Die Kläger verlangen Schadensersatz für den Wertverlust ihrer Fahrzeuge und die durch den Rückruf entstehenden Kosten. Nach Angaben von Anwälten könnte sich die Zahl der Kläger noch massiv erhöhen. Von den Rückrufen sind in den USA 482.000 Autos betroffen, weitere 100.000 in Kanada. Dabei handelt es sich um Dieselfahrzeuge der Baujahre 2009 bis 2015.
Volkswagen hatte zugegeben, die Abgaswerte von Fahrzeugen in den USA manipuliert zu haben. Mittels einer Software wurde der Schadstoffausstoß nur bei offiziellen Tests vollständig kontrolliert, nicht aber beim normalen Betrieb der Autos. Die Dieselfahrzeuge stießen folglich im regulären Straßenverkehr mehr Stickoxide aus als erlaubt. Am Dienstag räumte VW ein, dass die Software in weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen steckt.
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