Abgang eines SPD-Politikers: „Keine halben Sachen“
Wenn er nicht entscheiden kann, will Altonas SPD-Abgeordneter Mark Classen wenigstens diskutieren. Doch bei den Bezirkswahlen tritt er nicht wieder an.
taz: Herr Classen, man hätte meinen können, Sie setzen gerade zum Sprung von der Altonaer Bezirkspolitik in die Bürgerschaft an. Doch nun ziehen Sie sich aus der Politik zurück, warum?
Mark Classen: Rückzug hört sich immer sehr dramatisch an. Ich bewerbe mich nicht wieder als Abgeordneter für die Bezirksversammlung, weil der zeitliche Aufwand so hoch ist, dass ich beruflich einfach nicht weiter vorangekommen bin.
Sie sind seit sechs Jahren Abgeordneter, haben sich schnell einen Namen gemacht. Warum wollen Sie jetzt wieder in den Hintergrund treten?
Ich mache einen Teilzeitjob, um ehrenamtlich noch Politik machen zu können. Irgendwann muss man an das Alter denken. Für mich stellt sich jetzt die Frage, mache ich so weiter oder orientiere ich mich um und gehe wieder in die Wirtschaft. Ich habe mich entschieden, dass Letzteres in meiner Lebensphase besser ist. Es ist in der Demokratie ja auch gut, wenn es Wechsel gibt und die Leute nicht auf ewig an ihren Ämtern und Funktionen hängen. Ich habe das immer so gehalten, dass ich keine halben Sachen mache.
Auf Ihrer Webseite findet sich an prominenter Stelle ein Positionspapier zu „Lampedusa in Hamburg“. Dort erklären Sie Ihr Verständnis für die Gruppe, sich nicht bei den Behörde zu melden, und fordern eine politische Debatte, wo der SPD-Senat auf Recht und Ordnung verweist. Hat das in der SPD einen Streit ausgelöst?
Der Text hat zumindest eine Diskussion ausgelöst. Ich habe ihn zu einem Zeitpunkt geschrieben, wo wir es mit den Polizeikontrollen zu tun hatten. Auch die Bootsunglücke waren ganz prominent in der Presse und wir als Kommunalpolitiker waren ganz konkret mit der Situation konfrontiert, dass wir die Menschen in der St. Pauli-Kirche hatten. Vor diesem ganz praktischen Hintergrund standen wir vor der Frage, wie gehen wir jetzt mit diesen Menschen hinsichtlich der Unterbringung um – und wie läuft die politische Debatte. Natürlich: Recht und Gesetz gelten, aber Recht und Gesetz sind ja das Ergebnis von Politik. Insofern war es mir wichtig, eine Diskussion anzustoßen, wie wir als Gesellschaft mit Flüchtlingen umgehen, nicht nur als Senat, der da natürlich auch eine Rolle spielt.
Aber gerade diese Diskussion war alles andere als gewünscht, oder?
Was heißt gewünscht? Ich habe das ja auch geschrieben, um das einzufordern, was nicht stattgefunden hat. Ich weiß nicht, ob Kritik gewünscht ist oder nicht. Mir hat das zumindest niemand gesagt. Ich habe darauf ein gutes Feedback erhalten. Mein Eindruck war, dass dadurch auch innerparteilich eine Diskussion ausgelöst wurde. Ob das gewollt ist, war mir in dem Moment egal, ich bin ein politischer Mensch und habe eine Meinung – und die vertrete ich auch.
39, Soziologe, SPD-Bezirksabgeordneter in Altona und arbeitet für den Bürgerschaftsabgeordneten Arno Münster.
Nach den Auseinandersetzungen um die Rote Flora haben Sie sich von der Einrichtung des Gefahrengebiets distanziert. Haben Sie von den SPD-Genossen Druck bekommen?
Nein. Druck bekomme ich sowieso nicht, das darf man sich gar nicht so vorstellen. Aber auch da war ich als Kommunalpolitiker in Altona wieder mit der Situation konfrontiert, dass das Gefahrengebiet meiner Meinung nach nicht mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl eingeführt wurde. Und auch die Dauer dieser Gefahr bestand meiner Wahrnehmung nach nicht. Das war für mich der Anlass, das Vorgehen kritisch zu hinterfragen. Weil wir natürlich in dem ganzen Kontext Rote Flora in Altona immer den Weg der politischen Diskussion verfolgt haben. Dagegen ist das Gefahrengebiet kein politisches Instrument, sondern ein polizeiliches. Da gibt es eine gewisse Analogie zum Umgang mit den Lampedusa-Flüchtlingen.
Das ist diplomatisch, aber deutlich ausgedrückt.
Im wesentlichen stelle ich die Frage, ob dieser Weg der richtige ist. Aber ich bin ja auch nicht in der Verantwortung, zu sagen, so oder so muss man es machen. Ich maße es mir nicht an, zu wissen, wie es besser geht.
Ist da auch Frustration im Spiel, weil die Handlungsspielräume in der Bezirkspolitik doch recht überschaubar sind?
Nein, ganz im Gegenteil. Man braucht in der Politik ohnehin eine gewisse Frustrationstoleranz, aber ich habe nicht aus politischen Erwägungen gesagt, ich trete nicht wieder an. Ich gehöre eher zu den Leuten, die dann erst Recht am Ball bleiben – und ich bleibe ja auch in der Partei und habe da ja auch noch Funktionen, die ich nicht aufgebe. Insofern ist es kein Rückzug aus der Politik, sondern nur einer aus dem operativen Geschäft als Bezirksabgeordneter.
Es liegt also nicht am mangelnden Prestige der Bezirkspolitik?
Im Bereich der Stadtentwicklung sind die Handlungsspielräume sehr groß. Wenn es um Sachen geht, wo wir Senatszuständigkeiten haben, ist der Einfluss dagegen gering. Da muss man sich auf die Ebene der Diskussion verlagern, da kann man nichts entscheiden, aber sehr wohl kann man eine Meinung haben.
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