: Abgang eines Erfüllungsgehilfen
Des Kremls Handlanger bei der „Säuberung“ des privaten Senders NTW ist überraschend zurückgetreten
MOSKAU taz ■ Alfred Koch hat den Kanal gestrichen voll. Letzte Woche reichte der Chef des Medienkonsortiums Gasprom-Media, das zum Wirtschaftsimperium des gleichnamigen russischen Rohstoffkonzerns gehört, Hals über Kopf seinen Rücktritt ein. Koch hatte sich im Laufe des vergangenen Jahres den Ruf eines skrupellosen Erfüllungsgehilfen erarbeitet. Im Auftrage des Kremls säuberte er den privaten Fernsehsender NTW, der im postsowjetischen Russland zum Symbol eines mehr oder weniger kritischen Journalismus geworden war. NTWs Berichterstattung über den Krieg in Tschetschenien und Korruption auf höchster Ebene störten die neue Führung im Kreml. Nur wenige Wochen nach Amtsübernahme eröffnete Kremlchef Wladimir Putin gegen das journalistische Flaggschiff der Media-Most-Gruppe NTW einen erbitterten Feldzug. Der Gründer und Mehrheitsaktionär der Most-Gruppe, Wladimir Gussinski, wurde zunächst inhaftiert, konnte sich später aber ins Ausland absetzen. Im April kam es zum Showdown. NTWs Chefredakteur und Generaldirektor, Jewgeni Kisseljow, wurde entmachtet und wechselte mit einem Teil seiner Mannschaft zum Sender TW 6. Die Printmedien der Most-Gruppe wurden geschlossen oder tauschten ihr politisches Profil gegen seichte Unterhaltung. Bisher überlebt noch der Radiosender „Echo Moswy“, dessen Zukunft indes auch nicht gesichert ist.
Koch fungierte als Regisseur der Auftragsarbeit aus dem Kreml. Die finanzielle Lage der Media-Most war in der Tat angespannt. Als Hauptgläubiger trat seit fünf Jahren der halbstaatliche Rohstoffgigant Gasprom auf, der mit mindestens 400 Millionen Dollar beteiligt gewesen sein soll. Im Juli übereignete ein Moskauer Schiedsgericht Gasprom 65 Prozent der Aktien an NTW und an weiteren 23 Firmen der Media-Most ein Sperrpaket von 50 Prozent. Damit war der Weg für Koch frei, nach Investoren zu suchen. Am Freitag nun klagte ein sichtlich verletzter Koch: „Mit Hilfe von banalen Intrigen hat man mich ausgespielt.“
Der von Putin eingesetzte neue Gasprom-Chef Alexej Miller scheint unterdessen andere Pläne zu haben. Ein Verkauf des Imperiums zum jetzigen Zeitpunkt würde dem Gasunternehmen höchstens 300 Millionen Dollar einbringen, schätzen Experten. Das wären allein 100 Millionen weniger, als die Most-Gruppe der Gasprom-Media schuldet. Nach Liquidation der Gruppe haben die journalistischen Aushängeschilder ihr Profil zudem eingebüßt, was ihren Wert weiter in den Keller treibt. Koch plädierte daher für einen schnellen Verkauf – an seine engsten Freunde.
Das war wohl das wahre Motiv, den Handlangerjob überhaupt zu übernehmen. Koch schien davon auszugehen, die Most-Unternehmen würden einem Konsortium verkauft, an dem er selbst beteiligt ist. Und will womöglich durch den Rücktritt nur Druck auf Gasprom und Kreml ausüben, um den Verkauf doch noch zu seinen Gunsten abzusegnen. KLAUS-HELGE DONATH
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