: Aber wo bleiben die Pflichten?
betr.: „Väter schöpfen wieder Hoffnung“, taz vom 20. 11. 02
Fatalerweise ist die Sache mit dem Sorgerecht in der Alltagspraxis sehr uneindeutig.
Da wird um (Mitsprache-)Rechte gestritten und diese können auch juristisch erteilt werden. Aber wo bleiben die Pflichten? Im Kindschaftsreformgesetz hat der Gesetzgeber die Formulierung gewählt, dass die Eltern die Pflicht und das Recht (in genau dieser Reihenfolge!) haben, sich um ihr(e) Kind(er) zu kümmern. Allein die Pflicht lässt sich nicht einklagen. Lediglich das Recht. […]
Meine Tochter lebte über fünf Jahre lang jeweils vier Tage bei mir und drei Tage beim Vater. Als sich der große Karrieresprung abzeichnete, verflüchtigte sich dieser mal eben für zwei Monate ins Ausland, um danach 600 Kilometer entfernt eine neue Stelle anzutreten. Von heute auf morgen war das von ihm mit Nachdruck geforderte umfangreiche Umgangsrecht für ihn aufgehoben – ohne Rücksprache, ohne gemeinsame Klärung, wie es zukünftig im Kontakt weitergeht –, eben ohne die Pflicht, sich um die Folgen seines veränderten Lebenswandels kümmern zu müssen. Was seine Tochter empfindet ob dieses krassen Wechsels in der Kontaktmöglichkeit war nie die Frage. Es war und ist ihm möglich, nach Belieben sein Recht in Anspruch zu nehmen oder eben nicht. Das von ihm geforderte umfangreiche Umgangsrecht kann umgekehrt von seiner Tochter nicht eingefordert werden.
Deshalb: Wenn ein gemeinsames Sorgerecht einklagbar sein soll, dann nur wenn es eine Sorgepflicht umfasst, die in gleichem Maße nachweisbar und einklagbar sein muss. Allerdings halte ich es grundsätzlich für schwierig, zwischenmenschliche Beziehungen auf juristischem Wege zu klären.
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