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Abendland, Morgenland, Kolonialistenland

■ Ein zweiter Zwischenbericht vom „women in (e)motion“-Festival: Das „indianische“ Trio Ulali und die aus dem marokkanischen Fes stammende Sängerin Amina Alaoui

Mit zwei gut besuchten Konzerten, die einen völlig verschiedenen musikalischen Ansatz präsentierten, ging das „women in (e)motion“-Festival am Donnerstag- und Freitagabend weiter. Entsprechend unterschiedlich war die Stimmung in beiden Konzerten. Während den Auftritt des indianischen A-capella-Trios Ulali eine fast familiäre Atmosphäre beherrschte, ging es beim Auftritt der marokkanischen Sängerin Amina Alaoui deutlich gesetzter und konzertanter zu. Das hat neben dem unterschiedlichen Temperament der Sängerinnen auch mit dem kulturellen Background der jeweiligen Musik zu tun.

Ulali machen eigentlich eine Art Volksmusik, vertreten eine lebendige Tradition von mündlich überlieferten Melodien, die bis heute bei Festen und Zeremonien gesungen werden. Soni Moreno, Pura Fé und Jennifer Kreisberg interpretierten religiöse, rituelle Songs, Pow- wow-Gesänge und Tanzlieder verschiedener indianischer Nationen neben Eigenkompositionen mit Country-, Blues- und Pop-Einschlag.

Obwohl ihr Auftritt vom Mord an einer indianischen Bürgerrechtsaktivistin überschattet wurde, deren Andenken sie das Konzert am Donnerstagabend widmeten, und die drei Sängerinnen vom Jetlag gezeichnet waren, sorgten sie mit ironischen Zwischenansagen und Plaudereien recht schnell für eine entspannte Atmosphäre, die manchmal in einem irritierenden Kontrast zur Intensität ihres Gesangs stand.

Der war voller Energie, wartete mit überraschenden Wechseln von fein austarierten Vokalharmonien und kehligen Schreien auf, jubilierender Dreiklang löste sich in rhythmisch treibende Call-and-Response-Passagen auf, selbst ein Kanon war zu hören. Mühelos wechselten die drei Sängerinnen mit ihren ausdrucksstarken Stimmen die Tonlagen, lösten einander in den Lead- und Bassstimmen ab, sorgten mit Rasseln und Rahmentrommeln für flexible, alles andere als monotone Rhythmen.

Das Trio versteht seinen Gesang und seine Auftritte als Beitrag zum Kampf für die Rechte und kulturelle Selbstbehauptung der indianischen Völker, wobei sie Begriffe wie Indianer oder Native Americans ablehnen und lieber von First Nations sprechen. Der politische Anspruch wird nicht nur in manchen Zwischenansagen, kleinen Geschichtskorrekturen, sondern auch in den Eigenkompositionen deutlich, in denen sie Genozid, Vertreibung, Raub und Ausbeutung thematisieren. So beispielsweise in den Songs „Museum Cases“ über geraubte Kunst und Grabplünderung oder „Going Home“, ein Trauerlied über den Verlust des Landes. Ulali gaben ein kraftvolles, aufregendes Deutschlanddebüt, das schon jetzt zu den Höhepunkten des diesjährigen Festivals gezählt werden kann.

Eine ganz andere Atmosphäre herrschte am folgenden Abend im vollbesetzten Moments. Die marokkanische Sängerin Amina Alaoui sang vorwiegend Lieder, deren Ursprung in der Zeit zwischen dem achten und dem fünfzehnten Jahrhundert liegt. Sie pflegt die jahrhundertealte Tradition des arabo-andalusischen Gesangs, der Musik des maurischen Spaniens.

Das ist heute eine Kunstmusik und entsprechend konzertant war die Stimmung. Sie hatte trotz des Ortes eher etwas von einem klassischen Konzert. In den Zwischenansagen gelang es der Sängerin allerdings durch ihre freundliche Art und dadurch, daß sie immer wieder den Gedanken der Toleranz und der gegenseitigen Befruchtung verschiedener Kulturen betonte, eine Nähe zum Publikum herzustellen. Die Musik des maurischen Spaniens ist eine faszinierende Verschmelzung abendländischer Romantik mit – um im Bild zu bleiben – morgenländischen Traditionen. Das war in den Liedern Amina Alaouis sehr schön zu hören. Oft schien es, als würde nur der andere Klang der Ud, der arabischen Kurzhalslaute, ihres einfühlsamen Begleiters Nalib Khalidi oder die Melismen im Gesang den Unterschied zu einem alten spanischen Kunstlied ausmachen.

Amina Alaoui sang mit heller klarer Stimme die meist getragenen Lieder, eine elegische Grundstimmung dominierte. Manchmal begleitete sie sich auf der großen Rahmentrommel, sorgte auch so für andere Akzente im Klang. Auffallend war auch die Nähe zu judäo-spanischen, sephardischen Liedern, von denen die Marokkanerin auch eines im Repertoire hatte. Die ZuhörerInnen erlösten sich von der verhaltenen, gespannten Stimmung während der Musik durch begeisterten Beifall. Arnaud

Das „women in (e)motion“-Festival endet mit den Auftritten der beiden Fado-Sängerinnen Maria Amelia Proenca und Mafalda Arnauth: 17.3.,Delmenhorst (Kleines Haus); 18.3., KGS Weyhe-Leeste; 19.3., Moments; 20.3. Kito, jeweils um 20 Uhr.

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